Randsportarten haben keine Chance WM-Titel macht Angst vor Fußball-Monokultur

Köln · Der WM-Triumph der deutschen Fußballer sorgt bei anderen Sportarten in Deutschland auch für Ängste. Manche Spitzenfunktionäre fürchten angesichts des zu erwartenden Fußball-Booms um Mitglieder, Nachwuchs, TV-Zeiten und Sponsoreneinnahmen.

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Nach dem WM-Triumph von Rio geht im deutschen Sport die Angst vor einer weiter wachsenden Dominanz von "König Fußball" um. Im längst gnadenlosen Verteilungskampf um Mitglieder, Nachwuchs sowie TV-Zeiten und Sponsoreneinnahmen befürchten viele Verbände auch eine negative Strahlkraft des "vierten Sterns" auf ihre Sportarten.

"Der Titel ist ein toller Erfolg, aber er geht natürlich zu Lasten der anderen Sportarten. Sie werden noch weiter an den Rand gedrängt. Das ist extrem schmerzhaft", sagte Geschäftsführer Frank Bohmann von der Handball Bundesliga (HBL) in einer Umfrage des Sport-Informations-Dienstes (SID) bei mehreren olympischen Verbänden.

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Tatsächlich gehört zu der Vorstellung, dass schon in Kürze Kids und Teens in noch größeren Scharen in die Fußball-Vereine strömen und die Medien noch ausführlicher als ohnehin schon über die Nationalelf und die Bundesliga berichten werden, nur wenig Phantasie. Entsprechend resigniert klingt Sportdirektor Sven Ressel vom Deutschen Fechter-Bund (DFeB) auch schon bei der laufenden WM in Kasan: "Wir sind schon medial so weit abgemeldet, dass es nicht mehr schlimmer werden kann", sagte DFeB-Sportdirektor Sven Ressel. Schlimmer geht's nimmer, meint auch Bohmanns Kollege Gernot Tripcke von der Deutschen Eishockey Liga (DEL): "Es ist ohnehin schwer genug für uns."

Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig vom Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) hingegen nimmt den ungleichen Konkurrenzkampf sportlich und hofft auf zündende Ideen auch von der Basis: "Der WM-Titel hat den Sport insgesamt noch mehr in den gesellschaftlichen Fokus gerückt, das ist gut für das Renommee des ganzen Sports. Der Nachwuchs wird sich auch immer daran orientieren, was die Vereine vor Ort anbieten."

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Bedingt optimistisch ist beim Deutschen Skiverband (DSV) Marketing-Geschäftsführer Stefan Schwarzbach: "Es ist zu befürchten, dass die Monokultur im Sommer nochmal verstärkt wird und speziell die olympischen Sommersportarten ins Hintertreffen geraten." Allerdings verspürt auch Schwarzbach durch die neuerliche Fußball-Euphorie Druck: "Wir müssen mit attraktiven Angeboten dafür Sorge tragen, dass wir weiterhin genügend Talente begeistern. Wenn die Erfolge dauerhaft ausbleiben, bekommen wir mittelfristig ein Problem. Aber so lange der Fußball Winterpause macht, haben wir weniger Sorgen."

Vielleicht sogar dringender denn je benötigte Unterstützung erhofft sich Schimmelpfennig von einer verbesserten Zusammenarbeit der einzelnen Sportarten mit dem Fernsehen: "Man müsste gezielt Vorgaben und Konzepte entwickeln. Die Mitgliederzahlen der Verbände zeigen ja, dass viele Menschen noch andere Sportarten betreiben als Fußball. Das gehört auch öffentlich abgebildet."

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Aus Sicht von Schimmelpfennigs "Chef" Thomas Weikert können andere Sportarten sogar zu Nutznießern des WM-Hypes avancieren. "Wer Fußball guckt, ist zum einen oft auch für andere Sportarten zu begeistern." Außerdem liegt für Sportarten neben Fußball auch in den Schulen und im Internet eine Zukunft."

Die neuen Medien hält auch Bohmann, der mit der HBL immerhin einen festen TV-Partner hat, für eine Chance: "Wir machen eine Menge vor allem über die verschiedenen Social-Media-Kanäle, um die breite Öffentlichkeit zu erreichen."

Keinerlei Sorgen hat beinahe naturgemäß Frauen- und Mädchenfußball-Direktorin Steffi Jones beim Deutschen Fußball-Bund: "Von der Fußballbegeisterung im Land wird auch der Frauenfußball profitieren. Denn ich sehe überhaupt keinen Unterschied zwischen der Leidenschaft für Frauen- oder Männerfußball, weil es um unseren Sport als Ganzes geht. Dieser vierte Titel unserer Herren ist ein Glücksfall für uns alle. Wir sind ein DFB."

(sid)
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