Wofür stehen die Grünen?
„Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit“, so steht es im neuen Grundsatzprogramm von Bündnis 90/Die Grünen. Fast drei Jahre lang wurde daran gefeilt, viele Menschen haben mitgewirkt und nun die politische Ausrichtung für die Zukunft festgelegt. Sie basiert auf den Werten Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Demokratie und Frieden.
Konkret will die Partei ihre ökologischen Ziele, wie den Klimaschutz, weiter voranbringen, ohne dass durch diese Politik sozial schlechter gestellte Menschen ins Hintertreffen geraten.
Die angestrebte Klimaneutralität sei dabei eine Chance, um die deutsche Wirtschaft zu stärken. „Gemeinsam wollen wir eine sozial-ökologische Marktwirtschaft schaffen“, heißt es auf der Website. Dabei nehme man Start-Ups, Handwerk und regionale Wirtschaft genauso wichtig wie große Industriezweige.
Darüber hinaus steht die Partei für eine offene, tolerante Gesellschaft. Auf nationaler aber auch auf internationaler Ebene setzt sie sich entschieden für Menschenrechte ein - weit mehr als die Konkurrenten im Bundestag oder im Europäischen Parlament.
Seit ihrer Gründung hat sich die Grüne zudem die Gleichberechtigung auf die Fahne geschrieben. Innerparteilich zeigt sich das zum Beispiel daran, dass die Doppelspitzen in der Partei und der Fraktion mit mindestens einer Frau besetzt sein müssen. Nicht zuletzt kommen Beschlüsse der Delegiertenkonferenz nur zustande, wenn ihnen auch eine Mehrheit der anwesenden Frauen zustimmt.
Bei der internationalen Politik sieht das grüne Parteiprogramm eine Stärkung der EU vor. Denn wenn alle Länder in Europa gemeinsam agieren, sind sie stärker als jedes Land für sich, so die Erklärung. Dazu müsse die EU sich jedoch auch weiterentwickeln. Unter anderem geht es darum, dass Beschlüsse derzeit einstimmig gefasst werden müsse. Das koste unnötig Zeit und sorge für Stillstand. Geht es nach den Grünen, wird es in Zukunft ausreichen, wenn sich die Mehrheit der Länder einig ist.
Wie kam es zur Gründung der Grünen?
Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat zwei Gründungsgeschichten. In Westdeutschland liegen die Wurzeln in der Anti-Atomkraft-Bewegung und in den Studentenbewegungen, die sich Ende der 1960er-Jahre gebildet hatten. Sie einte ihr Protest gegen Umweltzerstörung, Atomkraft und der atomaren Hochrüstung. Mitte der 1970er-Jahren schlossen sie sich auf Landesebene zu grünen-, bunten oder alternativen Listen zusammen, die bei den jeweiligen Landtagswahlen antraten. Vor der Europawahl 1979 wurden sich die Mitglieder der Listen jedoch bewusst, dass jede Gruppe für sich zu klein war, um sich Hoffnungen auf den Einzug ins Europäische Parlament machen zu können. Nur gemeinsam hatte man die Chance, die Fünf-Prozent-Hürde zu meistern und die Zukunft mitzugestalten. Daher schlossen sie sich zum Bündnis „Sonstige Politische Vereinigung (SPV)/Die Grünen“ zusammen. Der Einzug ins Europaparlament misslang zwar, aber die Idee zusammenzuarbeiten fand Anklang. Das Ergebnis: Im Januar 1980 wurde die Bundespartei „Die Grünen“ gegründet.
Auch das Bündnis 90 aus Ostdeutschland war ein Zusammenschluss mehrerer Gruppen. Während der politischen Umbrüche in der DDR im Herbst 1989 hatten sich die „Initiative Frieden und Menschenrechte“, das „Neue Forum“ und „Demokratie Jetzt“ gegründet. Vor der Wahl der Volkskammer im März 1990 beschlossen sie, gemeinsam als Bündnis 90 anzutreten.
Wenige Monate später, bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl, traten Bündnis 90 und die Grünen noch einzeln an. Da man jedoch vielfach die gleichen Ziele verfolgte, kam es 1993 zur Gründung der Partei Bündnis 90/Die Grünen.
Wer hat die Grünen gegründet?
Beide Ursprungsparten - die Grünen in Westdeutschland wie auch Bündnis 90 in Ostdeutschland - haben viele Gründermütter und -väter. Schließlich sind beide durch den Zusammenschluss mehrerer Gruppen und Initiativen entstanden. Zu den bekanntesten Gründern der Bürgerbewegungen der DDR, aus denen später das Bündnis 90 wurde, gehörten die Malerin Bärbel Bohley, die spätere SPD-Politikerin Regine Hildebrand, die heutige Grüne-Fraktionschefin im Bundestag Katrin Göring-Eckardt, der Journalist und Dokumentarfilmer Peter Grimm und der amtierende thüringische Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD).
Zu den bekanntesten Gründern der ökologisch ausgerichteten Partei in Westdeutschland gehörten der Künstler Josef Beuys, Petra Kelly, Milan Horacek, der frühere CDU-Politiker Herbert Gruhl und Rudi Dutschke.
Wie haben sich die Grünen seit Ihrer Gründung entwickelt?
Ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei – so beschrieb sich die Grüne Partei in ihrem Bundesprogramm 1980. Heute ist die Rede von Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Demokratie und Frieden. Auf den ersten Blick scheint sich damit wenig geändert zu haben. Aber: Seit der Gründung im Januar 1980 hat sich die Protestpartei zu einer Partei in der Mitte der Gesellschaft entwickelt, die nicht nur bei ökologischen Themen punktet, sondern auch bei sozial- und wirtschaftspolitischen Themen mit guten Konzepten überzeugt.
Eine Entwicklung, die von heftigen Richtungskämpfen begleitet war. Im Kern ging es dabei in den 1980er-Jahren um die Frage, ob man sich an einer Regierung beteiligen soll, oder nicht. Die Fundamentalisten lehnten dies strikt ab. Sie wollten das bestehende politische System langfristig abschaffen. Die Realpolitiker dagegen wollten die Veränderung aus dem Inneren heraus bewirken. Als 1983 der hessische Landesverband entschied, eine rot-grüne Regierungskoalition einzugehen, um politisch mitwirken zu können, wurde dies von vielen „Fundis“ als Verrat angesehen. Doch die Realos setzten sich durch. Im Grundkonsens von 1993 nahmen die Grünen von ihrer systemkritischen Haltung Abstand. Sie akzeptierten die parlamentarische Demokratie und strebten nicht mehr danach, die kapitalistischen Ordnung zu überwinden. Vielmehr wurde nun eine ökologische Reform angestrebt. Das zeigt sich auch im Programm zur Bundestagswahl 1994: Neben dem Umweltschutz rückten darin die Wirtschaft und die Sozialpolitik n den Fokus.
Die Bundestagswahl 2005 und die damit verbundenen Rückkehr auf die Oppositionsbänke veranlasste die Grünen dazu, sich auch koalitionspolitisch weiterzuentwickeln. Zwar sprach sich nach der Bundestagswahl 2013 noch die Mehrheit der Basis für ein rot-rot-grünes Bündnis aus und lehnte eine Koalition mit CDU/CSU ab. Doch schon vier Jahre später, nach der Bundestagswahl 2017, schickte die Basis ihre Parteispitze zu Sondierungsgesprächen mit CDU/CSU und FDP. Das führte zwar zu dem Vorwurf, beliebig zu sein. Doch es zeigt auch, dass Grüne politisch Verantwortung übernehmen wollen und auf Länderebene bereits übernehmen: In 11 der 16 Landesparlamente regieren die Grünen mit. Und seit durch Fridays for Future der Klimaschutz zum politischen Top-Thema geworden ist, konnten die Grünen sich in Westdeutschland als zweitstärkste Kraft festsetzen. Durch die Corona-Krise wurde der Aufschwung zwar gestoppt, aber die Partei ist weiter in einer guten Ausgangsposition für die Bundestagswahl 2021.
Wann waren die Grünen in der Bundesregierung?
Nach der Bundestagswahl 1998 bildeten die Grünen zusammen mit der SPD die erste rot-grüne Bundesregierung. Zwar hatte das Wahlergebnis der Öko-Partei unter den Erwartungen gelegen, aber durch das sehr gute Abschneiden der SPD reichte es für die rot-grüne Koalition. Erstmals gab es damit Grüne-Bundesminister: Joschka Fischer wurde Außenminister und Vize-Kanzler, Jürgen Trittin übernahm das Umweltministerium, Andrea Fischer wurde Gesundheitsministerin und Renate Künast übernahm das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Bei der Bundestagswahl 2002 entschied sich nur eine knappe Mehrheit der Deutschen für die Fortsetzung Koalition. Die Kehrtwende in der Sozial- und Arbeitsmarkt-Politik hatte allerdings vor allem der SPD und weniger den Grünen geschadet. Letztere konnten bei den folgenden Landtagswahlen sogar Zuwächse verzeichnen. Dennoch waren sie es und nicht die SPD, die nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 wieder in die Opposition zurückkehren musste, während die SPD die ersten Große Koalition unter Angela Merkel bildete.
Wie viele Grüne-Ministerpräsidenten gab es?
Bisher gab und gibt es nur einen Grünen-Ministerpräsidenten: Winfried Kretschmann. Seit 2011 ist er der Landesvater von Baden-Württemberg.
Damals erzielte seine Partei das beste Ergebnis bei einer Landtagswahl: 24,2 Prozent der Wähler stimmten für Bündnis 90/Die Grünen und machten die Partei damit zur zweitstärksten Kraft hinter der CDU. Kretschmann handelte mit der SPD einen Koalitionsvertrag aus und wurde im Mai zum ersten Grüne-Ministerpräsidenten gewählt. Bei der Landtagswahl 2016 fiel das Wahlergebnis sogar noch besser aus: Die Grünen erreichten einen Stimmanteil von 30,3 Prozent und wurden damit stärkste Kraft in Baden-Württemberg. Da die SPD jedoch sehr schlecht abgeschnitten hatte, war eine Fortführung der Koalition nicht möglich. Stattdessen bildete Kretschmann nun eine grün-schwarze Landesregierung.
Beim Landesparteitag im Dezember 2020 wurde Kretschmann wieder zum Spitzenkandidaten gewählt – allerdings stimmten weit weniger Delegierte für ihn als fünf Jahre zuvor. Bei der Landtagswahl 2021 dagegen konnte sich der alte und neue Ministerpräsident wieder über einen Stimmenzuwachs freuen. 32,6 Prozent der Wähler gaben ihm seine Stimme und sicherte seine dritte Amtszeit. Diesmal wieder an der Spitze einer grün-schwarzen Koalition.
Was ist das Wahlprogramm der Grünen?
Im Zentrum des Wahlprogramms der Grünen stehen der Umweltschutz und der sozial-ökologische Umbau. „Wir schaffen klimagerechten Wohlstand – als Grundlage für eine lebenswerte Zukunft“, nennte es die Partei auf ihrer Website. Konkret will die Partei das Land mit einem Klimaschutz-Sofortprogramm auf den 1,5-Grad-Pfad bringen. Bis 2030 sollen 70 Prozent der Treibhausgase eingespart werden. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Grüne den Kohleausstieg 2030 vollenden und für einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energie sorgen. Weiter sieht das Wahlprogramm vor, dass der CO2-Preis für Verkehr und Wärme deutlich erhöht wird. Um Geringverdienende und Familien zu entlasten, soll ein Energiegeld an alle Bürger zurückfließen, die EEG-Umlage reduziert und ein Klimabonus eingeführt werden. So werde der Klimaschutz sozial gerecht. Mit jährlichen Investitionen von 50 Milliarden Euro in die sozial-ökologische Transformation würden zudem Arbeitsplätze geschaffen und die Wirtschaft gestärkt, heißt es in der Zusammenfassung des Programms.
Ein weiteres Versprechen: Wir sorgen für ein gutes Leben - auf dem Land und in der Stadt. Nicht zuletzt sollen Familien und Kinder in den Mittelpunkt gestellt werden. In der Sozial-Politik sieht das Wahlprogramm vor, dass die Hartz-IV-Sätze zunächst erhöht werden. Langfristig soll Hartz IV allerdings durch eine sogenannte Garantiesicherung abgelöst werden. Vorgesehen ist außerdem, den Mindestlohn zu erhöhen und eine Kindergrundsicherung einzuführen. Weiter soll der soziale Wohnungsbau gefördert und die gesetzliche und die private Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung zusammengefasst werden.
Zur Finanzierung dieser Maßnahmen ist eine Anhebung des Spitzensteuersatzes vorgesehen, sowie eine Vermögenssteuer von jährlich einem Prozent für Vermögen oberhalb von zwei Millionen Euro pro Person.
Beim Thema Außenpolitik sollen Menschenrechte grundsätzlich mehr Gewicht haben, als die Interessen der Wirtschaft. Unter anderem verlangt die Partei von China ein Ende der eklatanten Menschenrechtsverletzungen.
Eine Aussage, welche Koalition favorisiert wird, findet sich ganz bewusst nicht im Wahlprogramm. Grund dafür dürfte die Tatsache sein, dass die Grünen aktuell auf Landesebene in den unterschiedlichsten Koalitionen regieren – sowohl mit CDU und FDP als auch mit SPD und Linkspartei.
Was waren besondere Ereignisse bei den Grünen?
Zu den besonders erfolgreichen Ereignissen in der Parteigeschichte gehörte die Bundestagswahl 1983 und der damit verbundene Einzug in den Deutschen Bundestag. Bis dahin hatten CDU, CSU, SPD und FDP die Geschicke Deutschlands nahezu im Alleingang bestimmt. Nun war eine Partei dazugestoßen, deren Mitglieder sich allein äußerlich deutlich von den anderen Abgeordneten im Bundestag unterschieden: Stickpullover, Turnschuhe und Latzhosen dominierten das Bild. Bundeskanzler Helmut Kohl prophezeite, dass die grüne Anti-Parteien-Partei maximal zwei Jahre durchhalten werde. Doch der CDU-Chef irrte gewaltig.
Stattdessen feierten die „Öko-Partei“ zwei Jahre später das nächste besondere Ereignis: Nach der Landtagswahl in Hessen bildete sie zusammen mit der SPD die erste rot-grüne Landesregierung und Joschka Fischer wurde der erste grüne Landesminister. Das Foto von seiner Vereidigung, als er in Turnschuhen vortrat, ist bis heute bekannt.
Das nächste besondere Ereignis ließ lange Zeit auf sich warten: Die Bildung der ersten rot-grünen Bundesregierung 1998. Für die Grünen wurde es eine Zerreißprobe. Denn obwohl der Pazifismus zu ihren Wurzeln gehörte, stimmte Außenminister Joschka Fischer der Beteiligung deutscher Soldaten bei NATO-Luftangriffen ohne UN-Mandat zu. Aus Protest gegen diese Entscheidung bewarf ihn ein 37-Jähriger bei einem Sonderparteitag mit einem roten Farbbeutel. Auch dieses Bild ging in die Geschichte ein.
Ein deutlich erfreulicheres Ereignis konnte die Partei 2002 feiern: Die rot-grüne Regierung beschloss den Ausstieg aus der Atomenergie. Gute 20 Jahre nachdem sich aus der Anti-Atom-Bewegung eine Partei gegründet hatte, war es eben dieser Partei damit gelungen, eines ihrer wichtigsten ökologischen Ziele zu erreichen.
Das jüngste besondere Ereignis: Während sich CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet noch um die K-Frage stritten, präsentiert Bündnis 90/Die Grünen ihre erste Kanzlerkandidatin: Annalena Baerbock.
Das ist Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.