Inarritu-Film mit Sean Penn führt in der Gunst der JournalistenBiennale: "21 Grams" der Medien-Favorit für den Goldenen Löwen
Venedig (rpo). Noch ist nicht entschieden, welcher Film auf der Biennale den "Goldenen Löwen" nach Hause tragen wird. Wie unsere Mitarbeiterin Dörte Langwald berichtet, hat die internationale Presse beim Film-Festival ihren Favoriten jedoch längst gefunden.Der Wettbewerbsbeitrag von Alejandro González Inarritu ("Amores Perros") mit Sean Penn, Benicio del Toro und Naomi Watts in den Hauptrollen hat die Kritiker am Lido einhellig begeistert. Venedig am Freitag: Tosender Applaus, als Regisseur und Darsteller von "21 Grams" am Mittag zur Pressekonferenz erscheinen. Kaum eine Frage der Journalisten, die nicht mit einem "Danke für dieses außergewöhnliches Werk" beginnt. Der Film von Inarritu ist stilistisch wie inhaltlich packend und verwirrend zugleich, bezieht seine Faszination aus einer Handlung, die in zunächst mysteriös wirkende Puzzleteile zerlegt wurde. Anachronistisch entfaltet sich ein Beziehungsgeflecht zwischen drei verschiedenen Familien, die auf wundersame Weise miteinander verbunden sind. Da ist zunächst Sean Penn als Paul, der sich wegen seines schwachen Herzens einer Organtransplantation unterziehen musste. Seine Frau (Charlotte Gainsbourg) wünscht sich sehnlichst ein Kind von ihm, drängt ihn daher zu einer Samenspende. Paul dagegen ist von dem Gedanken besessen, unbedingt den unbekannten Spender seines Herzens herauszufinden. Von der jungen Mutter Cristina (Naomi Watts) erfahren wir zu Beginn, dass sie ihre Alkoholsucht erfolgreich überwunden hat - nicht zuletzt dank der Unterstützung ihres Mannes und ihrer kleinen Töchter. Schon bald wird ihr die geliebte Familie jedoch bei einem Unfall genommen. Der Schmerz des unerträglichen Verlustes lassen Cristina wieder dem Alkohol und Drogen verfallen. Benicio del Toro spielt den tätowierten Ex-Knacki Jack, der im Gefängnis seine Liebe zu Gott entdeckt hat. Seine religiöse Hingabe befremdet seine Frau, die sich von Jack bei der Bewältigung des Alltags und mit der Erziehung ihrer beiden Kleinkinder allein gelassen fühlt. Alle drei Figuren sind extrem gebrochene Gestalten, die im Verlauf der in Fragmente zerlegten Handlung auf einen gemeinsamen Höhepunkt zusteuern. Die einzelnen Szenen wirken wie zufällig aneinander gereiht, folgen keiner zeitlichen Reihenfolge und ergeben erst am Ende ein Gesamtbild. Regisseur Inarritu erklärt den Stil des Filmes so: "Ich mag diese Fragilität eines Puzzles. Jede Szene ist wie ein Molekül. Entnimmt man nur eine einzelne Szene, bricht der ganze Film als Konstrukt zusammen. So ist alles auf wundervolle Art miteinander verbunden - wie im wirklichen Leben". Großes Lob erhielt der Mexikaner auch von seinen Akteuren. So sagte Sean Penn: "Regisseure wie Alejandro sind ebenso selten wie genial". Del Toro fügte hinzu: "Er behielt alles im Focus und half mir, das Gesamtbild meiner Figur immer im Auge zu behalten". Ein Journalist fragt del Toro (gewann 2001 den Oscar als Bester Nebendarsteller in "Traffic"), warum der geborene Puertoricaner stets nur düstere Rollen spiele und ob man auch mal einen glücklichen Charakter von ihm erwarten dürfe. "Jetzt gerade bin ich glücklich, das ist doch schon mal was", lacht del Toro, und erklärt: "Außerdem mag ich dunkle Geschichten". Regisseur Inarritu zur Tragik der Figuren: "Sie alle verlieren sehr viel, sei es ihr Herz, ihren Glauben oder ihre Familie. Am Ende finden sie aber etwas viel wichtigeres: sich selbst. Und das ist es, worauf es im Leben ankommt".