Mailand: Tiefer Ausschnitt und Nylon-Trenchcoat
Mailand (rpo). Die einen loben die Bodenhaftung der neuen Mode, für die anderen sind es die mutlosesten Kollektionen seit langem. Die Mailänder Männer-Defilees Frühjahr/Sommer 2004, die am Donnerstag zu Ende gingen, spalten die Meinung der Fachleute. Zwar verzichteten die Designer weitgehend auf die sonst üblichen Laufsteg-Exzesse, dafür fehlten aber auch die großen Impulse. In Krisenzeiten geht die Branche auf Nummer sicher. Streifenhemden, Blousons, Lässigkeit, Sport - viele Zutaten der neuen Kollektionen liegen bereits zum aktuellen Sommer in den Geschäften. Und zwar schwer wie Blei, wie ein Blick in die Mailänder Nobelboutiquen rund um die Via Montenapoleone belegt. Der Unterschied zum Alten offenbart sich oft erst in den Details. Der Streifen auf dem Hemd wirkt fein gezogen auf weißem Grund edler. Aber auch Mini-Blüten und andere Klein-Musterungen finden ihren Platz. Sportelemente werden mit Klassik gemixt. Burberry kombiniert die Tunnelzughose zum Lackschuh. Beim Engländer John Richmond erhält das Nadelstreifen-Sakko ein Strickbündchen. Giorgio Armani setzt Polo-Kragen auf Oberhemden. Und Prada bringt einen Schuh, der halb sportlich, halb elegant ist. Brust raus! So lautet im Sommer 2004 eine der wichtigsten Forderungen an den Mann. Mailands Modehäuser von Fendi über Costume National bis hin zu Dolce & Gabbana übertreffen sich in der Tiefe der Dekolletés an T-Shirts, Pullis und Trägerhemden. Weit ausladende Rundhals-Modelle wechseln sich dabei mit tief gezogenen V- Ausschnitten ab. Vor allem das Trägertop erobert Terrain, ist geringelt, perforiert oder an Bustiers inspiriert. Mehr Taschen auf einer Hose als im aktuellen Straßenbild zu sehen, sollte eigentlich nicht möglich sein, dachten die Fachbesucher bis sie die Show des Mailänders Gianfranco Ferré sahen. So viel Stauraum am Bein verblüfft - und ist auch eher ungewöhnlich, denn das Cargo- Thema mündet eigentlich in eine edlere Richtung. Diese Taschen fallen auf den ersten Blick überhaupt nicht mehr auf, weil auf plakative Reißverschlüsse und Schnallen verzichtet wird. Jil Sander hat solche Modelle in Dunkelblau, Laura Biagiotti in Weiß. Ansonsten wird es am Bein auch wieder sehr schmal. Weiß steht im Zentrum einer hellen Farbpalette, die Optimismus vermittelt. Beige- und Khaki-Töne gehören ebenso dazu wie Pastelle oder klare Grauschattierungen. Marineblau dominiert den dunklen Part. Kräftige Akzente tauchen eher für die kleineren Teile wie Hemden oder Shirts auf. Zusammen mit den neuen, sehr leichten Materialien für ein lässiges Tragegefühl bilden Farben die Basis des Sommer-Looks. Exemplarisch für die neue Leichtigkeit ist ein aus hauchdünnem Nylon gefertigter Trenchcoat. Über einigen Sakkos der Marke Miu Miu aus dem Hause Prada liegt ein leichter Knitter. Hemden flattern über der Hose, blitzen unter Jacken hervor. Ein T-Shirt im Tunika-Stil wird zu Shorts getragen. Die Tops mit ihrem tiefen Ausschnitt und den seitlichen Aussparungen erfordern hingegen Körperbewusstsein. Marokko ist ein Thema in der neuen Saison, Donatella Versace baut einen Großteil ihrer Kollektion darauf auf. An Kaftans inspirierte Hemden und Pullis gibt es jedoch auch bei anderen Designern. Die Amerikaner wie Calvin Klein und Gucci - der Chefdesigner der italienischen Marke Tom Ford ist Texaner - nehmen hingegen Westernelemente in ihre Mode auf. Giorgio Armani bestritt traditionell das letzte Defilee der Mailänder Männerschauen. Er zeigte am Donnerstag seine gesamten Linien in einer Show. Schwarz-Weiß-Kontraste bestimmen das Bild in seiner Stammkollektion. Streifen in unterschiedlichen Dimensionen, Ringel, Kreise und Pepita mustern die Kleidung. Die Schuhe sind sportlich, die Jacken lässig wie Hemden. In der jungen Linie Emporio wird Armani plakativer und spielt mit seinem Logo, zieht die Buchstaben EA überdimensional hoch oder formt daraus ein Brustemblem. Über allem liegt maritime Leichtigkeit.