Sexualtherapie für eine bessere Partnerschaft"Es geht nicht nur um den Orgasmus"
Frankfurt/Main (rpo). Tote Hose in deutschen Betten? Immer mehr Paare leiden darunter. Grund: Sex wird nicht mehr als Zuneigung und Geborgenheit verstanden, sondern immer mehr als Leistungssport betrachtet. Durch Erwartungsdruck entstehen Versagensängste und die Lust auf die Liebe verschwindet."Viele Menschen erleben Sex als reinen Sport", kritisiert Christoph Ahlers, Klinischer Psychologe und Sexualtherapeut am Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Berliner Charité. Gerade das vermeintlich starke Geschlecht meint, im Bett immer seinen Mann stehen zu müssen. "Vor allem Medien schüren das Bild, dass Sexualität nur aus Lust besteht. Es geht aber nicht nur um den Orgasmus", sagt Ahlers. Neben der Lust und der Fortpflanzung dient Sex auch dazu, das Grundbedürfnis eines jeden Menschen nach Akzeptanz, Geborgenheit, Vertrauen und Nähe zu erfüllen. Kommen diese Grundbedürfnisse in einer Partnerschaft zu kurz, können sexuelle Funktionsstörungen auftreten. "Dass es beim Sex mal nicht klappt, ist aber ganz normal", sagt der Psychologe. Sexuelles Leistungs- und Anspruchsdenken provoziere Versagensängste, und schon könne es sein, dass sich dies auf die Lust oder die Orgasmus- und Erektionsfähigkeit auswirke. Klappe es mindestens sechs Monate nicht im Bett, sollte dies aber medizinisch untersucht werden. Probleme weit verbreitetDass es bei Paaren chronisch an der Lust hapert, ist weiter verbreitet als angenommen. Dies bestätigt eine Telefonbefragung des Soziologen Edward Laumann von der Universität Chicago an 3.432 Männern und Frauen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Demnach erleben 28 Prozent aller Männer regelmäßig einen vorzeitigen Orgasmus. Jede vierte Frau klagt, dass sie trotz sexueller Kontakte keine Erregungshöhepunkte bekommt. Jeder zehnte Mann hat Probleme, seine Erektion aufrechtzuerhalten. 35 Prozent der Frauen hatten schon einmal längere Zeit wenig Interesse an sexuellen Kontakten. Diese so genannte Appetenzstörung trat bei 17 Prozent der befragten Männer auf. "Gerade diese Störung beobachten wir bei den Paaren immer häufiger", sagt Ahlers. In der Tendenz seien die Umfrageergebnisse auch auf Deutschland übertragbar. Als nützliche Ergänzung in der Behandlung solcher Probleme wertet der Mediziner Medikamente, die beispielsweise die Erektion fördern. Arzneimittel könnten jedoch lediglich auf der organischen Symptomebene wirken. "Haben Männer und Frauen keine Lust auf Sex oder können sie beispielsweise keinen Orgasmus erleben, so hat dies in der Regel keine organischen Ursachen", betont Ahlers. Unabhängig davon, ob die Probleme im Bett organische oder psychische Ursachen haben, können die betroffenen Paare nach Angaben des Experten erfolgreich mit der so genannten Syndyastischen Sexualtherapie behandelt werden. Dabei wird vor allem die Partnerbeziehung wieder stabilisiert, so dass Sexualität angstfrei erlebt werden kann. Mann und Frau müssen bereit sein, gemeinsam die Therapie mit ihren rund 20 Sitzungen durchzuführen. Die Paare bekommen Übungen für zu Hause aufgetragen. Schritt für Schritt sollen beide lernen, sich mit festgelegten Aufgaben und Regeln wieder körperlich zu nähern. "Beide Partner vereinbaren beispielsweise für die erste Phase miteinander einen Koitusverzicht", sagt Ahlers. Dieser könne nur gemeinsam in einer Therapiesitzung wieder aufgehoben werden. Ziel sei es hier, den hohen Leistungsdruck beim Sex zu nehmen. "Eine erste Übung besteht häufig darin, dass Paare sich einfach nur nackt ansehen. Das machen viele nämlich nicht", erklärt der Sexualmediziner. Danach folgen Streichelübungen, um verloren gegangenes Vertrauen in den Partner wieder zu finden. "Nicht Erfolg versprechend ist es, dass diese Therapie ohne Anleitung durchgeführt wird", sagt Ahlers. Denn die Übungen und die dabei gemachten neuen Erfahrungen führten zu vielen Eindrücken und Gefühlen, die ein Dritter ordnen müsse. "Doch die Behandlung ist auch kein Wundermittel. Wenn Menschen sich nicht lieben, hilft die beste Therapie nicht", betont Ahlers.