Gern wurden früher beim ESC, als er noch Grand Prix Eurovision hieß, Menschen auf die Bühne gestellt, die noch nicht in einem politischen Sinne wahlfähig sind: Kinder. Sagen ließe sich dazu: Jede Nation hat stets fast alles getan, um die Juroren weich zu stimmen, auf dass sie Stimmen geben. Die Spanierin Betty Missiego hat dies 1979 fast zur Perfektion gebracht: Ihr "Su cancion" wurde damals auf der Jerusalemer Bühne von einer fünfköpfigen Görenschar umkränzt. Das wirkte auf die einen niedlich, auf andere peinlich — und auf mich wie ein Rettungsruf: Hey, schien der Act zu sagen, wir sind poptechnisch minderbemittelt, aber Kinder, nicht wahr, werden doch wohl bei Euch den Bambi-Effekt wachrufen? Ralph Siegel hat zu diesem Erpressungsmittel — sind die Kleinen nicht süß? — auch gegriffen dereinst, aber auch die Sängerin Paola. Seit die Belgierin Sandra Kim, kaum 15 Jahre, den ESC für Belgien 1986 gewann, sind Performer, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verboten. Aber in Düsseldorf ließ ich mich von Kleinen doch mild stimmen. Als ich die Straßenbahn zur Arena bestieg, darauf hoffend, in Ruhe die frische Ausgabe dieser Zeitung zu lesen, fand ich die Waggons voll mit Klassen von allerhöchstens zehnjährigen Schülerinnen. Was waren die lärmend, zwitschernd — und so menschlich. Taten frech und vorlaut, und mir hat das gefallen. Das waren allesamt lebendige Symbole, dass Kinder meist nur den eigenen Eltern putzig und lieb scheinen — und den anderen sind sie eine übergriffige Plage.