"Die Wilden Kerle" : Mini-Rambos in Nieten und Ketten
Für die "Wilden Kerle", eine Fußballmannschaft von sechs- bis zehnjährigen Jungs, bedeutet das runde Leder fast alles. Temperamentvoll zeichnet dieser Kinderfilm zu Beginn eine Welt, die vom Ball beherrscht wird. Endlich sind Ferien, und die Nachwuchskicker brennen darauf, auf ihrem Lieblingsplatz, dem Teufelstopf, in Aktion zu treten. Als ihr Bolzplatz von älteren Jungs okkupiert wird, fordern die "Wilden Kerle" in einem Anfall von Tollkühnheit die Mini-Rambos von den "Unsiegbaren Siegern" zum Endspiel um den Platz heraus. Bei der Verfilmung der Kinderbuchserie "Die Wilden Kerle" führte ihr Verfasser Joachim Massanek selbst und zum ersten Mal Regie. Und weil er seit Jahren Hobbytrainer von Kinderfußballern ist, spielt auch im Film ein Erwachsener eine wichtige Rolle: Der gammlige Kioskbesitzer Willi bietet sich als Trainer der "Wilden Kerle" an, die in Wahrheit ganz schön ängstlich sind. Zuvor müssen aber noch die jeweiligen Eltern überzeugt werden, den Hausarrest ihres Nachwuchses aufzuheben. Denn die Kids randalieren beim Warten auf einen regenfreien Tag so aggressiv in ihren Zimmer herum, dass einem Angst und Bange wird. Überhaupt demonstriert der Film inmitten bohemienhaft idyllischer Prager Drehorte ein unangebracht brachiales Verhalten, bei dem nie klar wird, ob's ernst oder lustig gemeint ist. Wahrscheinlich soll das martialisch aufgemotzte Outfit der Konkurrenten mit Irokesenschnitt, Nieten und Ketten, im pathetischen Stil von Italo-Western gedreht, zum Lachen reizen, - tut es aber nicht. So wenig wie die Scherze des meist grimmig dreinschauenden Ober-"Wilden" Leon, der ein spielwilliges Mädchen vergraulen will. Leon schenkt der netten Vanessa, welche die ganze Truppe zu ihrem Geburtstag und zum Elfmeterschießen einlädt, rosa Stöckel, was für einen Neunjährigen, den noch lange Jahre von der Pubertät trennen, ganz schön fies anmutet. Vieles eine Nummer zu groß für KinderEin seltsamer Bierernst durchzieht die Handlung, die nicht nur komisches Timing vermissen lässt. Zunehmend wird sie mit Posen und einer Rhetorik überfrachtet, die an die Diskussionsthemen und Befindlichkeiten Erwachsener erinnert. So reicht es nicht aus, den exemplarischen Minimacho Leon mit Frauenpower zu konfrontieren und aufklärerische Liedchen anzustimmen, nein, auch eine vorbildlich emanzipierte Großmutter muss ihren Senf druckreif dazugeben. Willi sieht aus wie ein übrig gebliebener Sponti, der partout nicht zu den Alten Herren gehören will. Betont bunt und lässig sind die Klamotten der Kinder mit szenigen Hüten und Stirnbändern, welche reale kleine Jungs wohl nicht mit der Beißzange anfassen würden. Und ob diese sich tatsächlich mit originell gemeinten Schimpfwörtern wie "Verflixte Hühnerkacke" und "Heiliger Muckefuck" den Frust vom Leibe reden, darf ebenfalls bezweifelt werden. Der Nachwuchs, der wild zu sein hat, scheint oft als Sprachrohr für nostalgisch gestimmte Männer dienen. Für Kinder jedenfalls ist vieles eine Nummer zu groß. Typisch beispielsweise der Konflikt zwischen der verspätet antiautoritären "Lebe wild und gefährlich"-Attitüde, die der Film propagiert, und dem gleichzeitigen Appell an Teamwork und Verantwortungsbewusstsein: Beides zusammen funktioniert schlecht, wie die Berufsjugendlichen in aktuellen Erwachsenenkomödien vorführen - und was auch dieser Kinderfilm unabsichtlich beweist, der sich für keine der beiden Optionen entscheiden kann. Vielleicht deshalb, weil die "Wilden Kerle" teilweise mit ihren Erzeugern vor die Kamera traten, wie Uwe Ochsenknecht und seine beiden Söhne Jimi Blue und Wilson Gonzales, Rufus Beck als Willi nebst Sohn Jonathan, und Marlon, Sohn des Regisseurs. Ein Film wie eine etwas verkrampfte Familienparty, die den Vätern vielleicht am meisten Spaß gemacht hat.