Serie "Digitale Revolution" 3D-Druck - das digitale Handwerk

Düsseldorf · Zahnersatz, Schuhe, Nudeln - 3D-Drucker werden bald in der Lage sein, praktisch alles nach digitalem Plan nachzubauen. Das macht Maßanfertigungen wesentlich günstiger und eröffnet einen gigantischen Markt.

 So kommen die Teile einer Pistole aus dem 3D-Drucker.

So kommen die Teile einer Pistole aus dem 3D-Drucker.

Foto: dpa, zeus hpl

Der Schuss, den Cody Wilson am 4. Mai 2013 auf einer Schießanlage in Texas abfeuerte, erschreckte die Welt. Obwohl der Knall aus einer putzig aussehenden Plastik-Waffe kam, die mehr an ein Spielzeug denn an ein tödliches Werkzeug erinnerte.

Das Schockierende war: Die Pistole war beides. Sie entstammte keiner traditionellen Waffenschmiede, sondern dem heimischen 3D-Drucker des leidenschaftlichen Bastlers Wilson. Spätestens diese Vorführung ließ erahnen, was mit 3D-Druckern alles möglich ist. Die britische Wirtschaftszeitung "Economist" sah darin bereits 2012 eine neue industrielle Revolution. Und ganz so weit hergeholt ist das nicht.

Das Prinzip des 3D-Drucks verkehrt die Fertigungsweise, wie wir sie bisher kennen. Ein Produkt wird bisher aus einem Stück Holz, Kunststoff oder Metall geschnitten, geschlagen, gefräst oder gedrechselt. Das fertige Werkstück entsteht durch Trennung. Jetzt aber ist das genaue Gegenteil möglich: Es wird nichts mehr zerkleinert bis zum fertigen Ergebnis, sondern hinzugefügt. Fachleute nennen das "additive Fertigung", etwas plakativer ist der Begriff 3D-Druck.

Das Gerät braucht nur zwei Dinge: einen Bauplan und einen Rohstoff - zumeist (flüssige) Kunststoffe, Harze, Keramikpulver, aber auch Metall. Mit beidem gefüttert baut der 3D-Drucker nach elektronischer Anleitung das Werkstück. Spritzdüsen tragen Schicht für Schicht den Rohstoff auf eine Grundfläche auf, diese neue Lage wird auf die vorher gefertigten aufgebracht. Millimeter um Millimeter entsteht so ein neues räumliches Produkt. Cody Wilson schuf so seine funktionierende Plastik-Waffe, aber da geht noch viel mehr.

Schon jetzt wird die Zahntechniker-Branche von der neuen Technologie umgekrempelt. Die neuen Beißer müssten nicht mehr mühsam einzeln nach Gussabdruck angefertigt werden, sondern können nach einem Scan ein Leben lang vom 3D-Drucker aufs Neue ausgespuckt werden. Aber nicht nur Zähne, auch Prothesen, Prototypen in der Forschung oder schlicht Ersatzteile fürs Auto - fast alles kann künftig aus dem 3D-Drucker kommen.

Die Ersatzteillogistik würde in weiten Teilen entfallen, wenn in jeder Werkstatt ein 3D-Drucker steht. Dadurch lassen sich immense Kosten sparen, was Logistiker nicht beunruhigt. Post-Vorstand Jürgen Gerdes ist sogar begeistert: "Weil die Rohware ja irgendwie auch zum Kunden kommen muss, werden wir als Logistikunternehmen damit sicher nicht unnötig. Ich bin zwar sehr dafür, dass wir die Welt besser machen, aber ich kann noch nicht erkennen, dass wir aus reiner Luft Produkte machen."

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Die maßgeschneiderte Konfektionierung wird revolutioniert, sie ersetzt aber nicht die weitaus kostengünstigere Massenproduktion. Doch die Anfertigung von Einzelstücken ist keine sündhaftteure Angelegenheit mehr. Eine ferne Illusion für den Einzelhandel: Schuhhändler könnten im Netz den Bauplan für ihr neuestes Modell verkaufen, eine App vermisst die Füße passgenau, und aus diesen Daten fertigt der 3D-Drucker im Copyshop um die Ecke den maßgeschneiderten Schuh.

Aber noch mehr ist möglich, weiß Rainer Gebhardt, Experte des Branchenverbands der Maschinenbauer (VDMA): "Man kann Geometrien verwirklichen, die bisher nicht zu fertigen waren. Ersatzteile in der Industrie, leichtere Bauteile für den Flugzeugbau - der Fantasie seien keine Grenzen gesetzt.

Das Ganze geht auch schon zu Hause. Einfache 3 D-Drucker für den Privatgebrauch gibt es für unter 1000 Euro. Sie können einfache Gartenzwerge oder Weihnachtsengel aus Kunststoff drucken.

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Alles ist offen. Das gilt nicht nur für die Einsatzmöglichkeiten, sondern auch für Umsätze, die in dieser Branche möglich sind. Im vergangenen Jahr waren es weltweit rund 2,3 Milliarden Euro. Die Wachstumsrate lag bei 25 Prozent. Laut McKinsey wird der Weltmarkt für maßgeschneiderte medizinische Implantate, Maschinenteile und Motoren aus dem 3D-Drucker bis zum Jahr 2025 auf 770 Milliarden US-Dollar anwachsen. Für Konsumartikel sagen die Forscher sogar einen Gesamtwert von gigantischen vier Billionen Dollar im Jahr 2025 voraus.

"3D-Drucker werden sich am Markt durchsetzen und einen enormen Einfluss auf große Teile der Wirtschaft haben", sagt Dieter Kempf, Präsident des IT-Verbandes Bitkom. 13 Prozent der IT-Unternehmen glauben laut einer Bitkom-Umfrage daran, dass die Technik die Wirtschaft revolutionieren wird. Im vergangenen Jahr waren es noch drei Prozent gewesen.

Nur acht Prozent glauben, die Geräte werden gar keine Bedeutung haben. Vermutlich haben die den Knall aus Texas noch nicht gehört.

(RP)
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