Thyssenkrupp 7000 Stahlarbeiter protestieren in Bochum

Bochum · Die Thyssenkrupp-Beschäftigten verlangen Standort- und Beschäftigungsgarantien. Der Sitz des Joint Ventures mit Tata Steel soll in NRW liegen.

Thyssenkrupp: Tausende Menschen demonstrieren gegen Stahlfusion
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Tausende Menschen bei Großdemo gegen Stahlfusion

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Foto: afp, PST

Das Management des Essener Industriekonzerns Thyssenkrupp hatte mit einem Imagefilm für das Joint Venture mit dem Konkurrenten Tata Steel vorgelegt. Die IG Metall zog gestern nach - allerdings in deutlich anderer Ästhetik. Statt opulenter Bilder wie bei den Arbeitgebern setzt sie in ihrem kurzen Film auf dramatische Klaviermusik und Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Stahlarbeiter-Familien, die um den Erhalt ihrer Jobs flehen. Es geht jetzt um Emotionen.

Die Stimmung auf dem Platz vor dem Bochumer Colosseum, wo der Film auf eine riesige Leinwand hinter der Bühne projiziert wird, ist aufgeladen. 7000 Stahlarbeiter sind an diesem Tag hergekommen, um gegen die geplante Fusion der Thyssenkrupp-Stahlsparte mit Tata Steel Europe zu demonstrieren.

Sie werfen dem Management schlechten Stil vor, weil dieses aufwendige Filme zum Deal produzieren lasse, anstatt die Beschäftigten frühzeitig zu informieren. Günter Back, Gesamtbetriebsratschef der Stahlsparte, bringt es auf die Formel, er fühle sich "beschissen, betrogen und trotzdem kämpferisch".

Dass sie den Deal noch verhindern können, daran glaubt hier so gut wie keiner mehr. Aber sie wollen dem Management ihre Bedingungen diktieren. "Wir wollen - verdammt noch mal - in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden", ruft etwa Konzernbetriebsratschef Willi Segerath, "bislang heißt unsere Antwort zu der Absichtserklärung ,nein'."

Wohlgemerkt: bislang. 2000 Stellen soll der Zusammenschluss der Unternehmen allein bei Thyssenkrupp kosten, die eine Hälfte in der Verwaltung, die andere in der Produktion. Nach Angaben von Detlef Wetzel, dem Ex-IG-Metall-Chef und Thyssenkrupp-Aufsichtsrat, ist damit das Ende der Fahnenstange aber noch lange nicht erreicht. Der Konzern habe ja per Pressemitteilung schon mitgeteilt, dass ab 2020 die Fertigungsstrategie der neuen Gesellschaft optimiert werden solle. "Das ist der Hammer. Ab 2020 geht es um Standortschließungen, Anlagenschließungen, Kapazitätsabbau und Massenentlassungen. Und das lassen wir uns so nicht gefallen." Wetzel verspricht, es sei das letzte Mal, dass die IG Metall ihre Mitglieder zu einer solchen Demonstration zusammenrufe. Soll heißen: Beim nächsten Mal wird es Arbeitsniederlegungen geben. Immer wieder rufen nun Teilnehmer "Streik".

Von der aufgeheizten Stimmung profitieren will auch so mancher Politiker. Vertreter aller Parteien haben sich unter die Demonstranten gemischt oder stehen wie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles auf der Bühne. Man merkt ihr den Wahlkampfmodus sofort an. Im leuchtend roten Hosenanzug tritt die SPD-Politikerin, die auch Mitglied in der IG Metall ist, vor die Demonstranten und will Hemdsärmeligkeit demonstrieren: "Es geht - verdammte Kacke - um die Zukunft des Stahls", schreit das Mitglied des Bundeskabinetts heiser in die Menge. Für ihr Versprechen "Ihr könnt fest mit mir rechnen" erntet sie in der Menge jedoch nur ein müdes "Machen kann sie ja eh nichts".

Auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), ebenfalls IG Metaller, steht auf der Bühne. Seine Miene versteinert, als Detlef Wetzel zu einer Tirade gegen die Landesregierung ansetzt, deren Unterstützung man schmerzlich vermisse, und damit für laute "Buh"-Rufe sorgt. Doch Laumann greift eine zentrale Forderung der Stahlarbeiter auf, wonach der Sitz des Joint Ventures nicht in die Niederlande verlegt werden soll: "Da, wo man gut behandelt wird, geht man nicht weg", ruft er. "Ich stelle mir Dankbarkeit anders vor. Thyssenkrupp gehört nach Nordrhein-Westfalen - auch was den Firmensitz angeht." Die NRW-Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte bislang die Fusionspläne mit Wohlwollen begleitet. Laumanns Äußerungen werteten die IG Metaller nun als Kurswechsel.

Am Wochenende will Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger die Pläne für das Joint Venture dem Aufsichtsrat vorlegen. Dort gibt es nicht nur die Vorbehalte der Arbeitnehmer. Auch Großaktionär Cevian hatte sich skeptisch bezüglich einer Stahlfusion geäußert. Ab Anfang kommender Woche will der Vorstand dann mit Betriebsräten und Gewerkschaftern in die Verhandlungen einsteigen.

(maxi)
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