Düsseldorf Abschied vom CD-Regal

Düsseldorf · Weil die Platten-Verkäufe weiter einbrechen, setzt die Musikindustrie ihre Hoffnungen auf Streaming-Dienste - vor allem aus Schweden.

Schweden, das war in der öffentlichen Wahrnehmung lange Jahre vor allem Abba, Ikea und Köttbullar. Mit Spotify gibt es einen weiteren Schweden-Export, der weltweit erfolgreich ist. Der 2006 gestartete Musik-Streaming-Dienst ist inzwischen rund acht Milliarden Euro wert und in mehr als 50 Ländern aktiv. Doch was viel wichtiger ist: Der Schweden-Export hat in der Digitalbranche Maßstäbe gesetzt, wie es sonst in der Regel nur US-Konzernen wie Google gelingt.

Die Musikindustrie setzt große Hoffnungen in das neue Geschäft, bei dem Musik nicht heruntergeladen, sondern nur noch aus dem Internet abgespielt wird. Denn die CD-Verkäufe schrumpfen seit Jahren, zuletzt ging auch das Geschäft mit Downloads um acht Prozent zurück. Gleichzeitig stiegen die Abo-Umsätze aus Streaming-Diensten weltweit um 39 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar. Das geht aus dem Jahresbericht des Branchenverbands IFPI der Musikindustrie hervor, der gestern vorgestellt wurde.

Damit machen Streaming-Angebote mit ihren weltweit schätzungsweise 41 Millionen Abonnenten (hinzu kommen viele Millionen Nutzer, die kostenfreie werbefinanzierte Varianten nutzen) zwar erst gut ein Zehntel des Gesamtgeschäfts aus, doch die rasanten Wachstumszahlen zeigen, dass dies nicht so bleiben wird. Im vergangenen Jahr nahm die Branche erstmals mehr mit digital verkaufter oder verliehener Musik ein als mit CD-Verkäufen. Eine Ausnahme bildet nur Deutschland: Hierzulande kommen noch 70 Prozent der Einnahmen aus CD-Verkäufen.

Kein Wunder, dass angesichts des Spotify-Erfolgs angeblich auch Apple seine Pläne für einen Streaming-Dienst vorantreibt. Bislang hat das Unternehmen satte Gewinne mit seinem Bezahl-Angebot iTunes eingefahren, doch langfristig dürften sich Nutzer überlegen, ob sie bis zu 1,29 Euro für einen Song ausgeben, wenn sie bei Streaming-Angeboten für monatlich unter zehn Euro Zugriff auf Millionen von Titeln haben. Das Magazin "Business Insider" spekuliert bereits, dass der US-Konzern im Juni ein eigenes Streaming-Angebot vorstellen könnte.

Die Preisunterschiede zeigen das große Problem der Musikindustrie: Streaming-Angebote bringen den Plattenfirmen in der Summe viel weniger Geld als CD-Verkäufe und Downloads. US-Popstar Taylor Swift boykottiert daher Spotify: "Ich möchte nicht zu einem Experiment beitragen, das nach meinem Gefühl Autoren, Produzenten und Künstler nicht fair entschädigt", begründete sie dies einmal in einem Interview. Ähnlich sehen das wohl auch einige deutsche Künstler - auch Lieder von den Ärzten, den Toten Hosen oder Herbert Grönemeyer sind nicht abrufbar. Andere Künstler gehen einfach einen Schritt weiter. US-Rapper Jay-Z kaufte kurzerhand Anteile am Unternehmen Aspiro, dessen Streaming-Dienst Tidal Künstler fairer bezahlen will. Aspiro kommt - natürlich - aus Schweden.

(RP)
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