Insolvente Fluggesellschaft Air Berlin erstattet alte Tickets nicht mehr

Düsseldorf/Frankfurt · Die Krise von Air Berlin trifft nun auch zunehmend die Passagiere, während sich gleichzeitig eine sehr schnelle Übernahme von Firmenteilen durch Lufthansa abzeichnet. Forderungen der Passagiere gehen in die Insolvenzmasse ein.

 Maschinen der angeschlagenen Airline am Flughafen Berlin-Tegel.

Maschinen der angeschlagenen Airline am Flughafen Berlin-Tegel.

Foto: dpa, ped fdt

Das Unternehmen gab auf der Internetseite bekannt, dass Entschädigungsansprüche für stark verspätete Flüge, die vor dem 15. August stattfanden, erst einmal nicht ausgezahlt werden. Stattdessen würden solche Forderungen in die zu verteilende Insolvenzmasse eingehen — damit sind größere Zahlungen praktisch ausgeschlossen. Der Stichtag 15. August wurde gewählt, weil das Unternehmen am Dienstag den Antrag auf Insolvenz in Eigenregie gestellt hat.

Auch alte Gutscheine werden nicht mehr eingelöst. Dies wird insbesondere Passagiere ärgern, die sich solche Gutscheine haben geben lassen, als im Mai und Juni Tausende Flüge ausgefallen waren. Um die Kasse zu schonen, hatte Air Berlin Fluggutscheine angeboten, deren Wert nominal ein Viertel höher war als eine Bargeldentschädigung — aber jetzt sind die Papiere nichts weiter als fast wertlose Ansprüche im Insolvenzverfahren.

Air Berlin hat mehr als eine Milliarde Euro an Schulden und mangels eigener Jets sehr wenig Vermögen.

Wie lange reicht der Überbrückungskredit?

Damit der Verkauf neuer Tickets nicht zusammenbricht, erklärt Air Berlin, für diese würden die Tarifkonditionen gelten. Ansprüche auf Schadenersatz bei starken Verspätungen oder Flugausfällen sollten über das Internet eingereicht werden. Erst auf Nachfrage teilt die Pressestelle mit, es gäbe solche Erstattungen dann auch wirklich.

Um die Lage zu beruhigen, wollen Air Berlin und Lufthansa auch an diesem Wochenende über eine Übergabe großer Betriebs- und Streckenteile verhandeln. Dies erfuhr unsere Redaktion aus informierten Kreisen bei Lufthansa und Air Berlin. Der Unternehmensberater Ralf Moldenhauer von der Boston Consulting Group (BCG) hält das schnelle Handeln für richtig: "Tickets für den späten Herbst lassen sich doch nur sinnvoll verkaufen, wenn die Leute von einem Weiterbetrieb ausgehen."

Damit spielt er darauf an, dass der beantragte Überbrückungskredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Höhe von 150 Millionen Euro wohl nur rund drei Monate reichen wird — das wäre bis Mitte November. Moldenhauer: "Tempo ist jetzt auch aus Sicht der Gläubiger zwingend, weil ja nichts teurer ist, als nur schwach ausgelastete Maschinen fliegen zu lassen. Außerdem wollen Geschäftspartner wie Flughäfen, Kerosinverkäufer oder Verpflegungslieferanten Sicherheit."

Dabei ist durchaus möglich, dass Air Berlin sich mit Lufthansa schon bald auf einen Teilverkauf einigt, obwohl noch mit anderen Firmen wie Easyjet über andere Strecken gesprochen wird. Moldenhauer: "Die Ankündigung schneller Teilverkäufe ist sehr wahrscheinlich, um die Lage zu beruhigen. Details lassen sich noch bis Mitte November klären, und eine formale Übergabe von Betriebsteilen könnte auch erst dann erfolgen." Die Verzögerung der Übergabe hätte den Effekt, dass Mitarbeiter drei volle Monate Insolvenzgeld von bis zu 5300 Euro im Monat pro Kopf erhalten.

Moldenhauer rechnet mit baldigen Kündigungen: "Das Unternehmen und der Sachwalter werden wohl keine Alternative haben, als in einigen Bereichen schon schnell Kündigungen auszusprechen. Das gilt wohl nicht für den fliegenden Bereich, aber die Verwaltung wird ja zum großen Teil verschwinden. Da wäre es fahrlässig, Kündigungen hinauszuschieben. Gleichzeitig ist denkbar, dass manche Mitarbeiter sogar Prämien erhalten werden, wenn sie ihre Aufgabe exzellent erfüllen, obwohl man für sie keinen Anschlussjob finden wird."

Um Entlassungen zu vermeiden, forderte die NRW-SPD von Kanzlerin Merkel eine "nationale Lösung" für Air Berlin zu organisieren. Rund 1000 Jobs von Flugzeug-Technikern in Düsseldorf seien gefährdet. Wie eine solche Hilfe aussehen könnte, blieb aber völlig offen.

(RP)
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