Düsseldorf Air Berlin steht radikaler Umbau bevor

Düsseldorf · Die Verluste der Fluggesellschaft wachsen ins Uferlose. Selbst der Großaktionär Etihad aus dem ölreichen Abu Dhabi verliert die Geduld und fordert mehr Tempo. Viel mehr als gute Vorsätze hat Air Berlin aber noch nicht zu bieten.

Der arabische Großaktionär Etihad muss Air Berlin erneut mit einer Finanzspritze retten. Seit seinem Einstieg vor drei Jahren hat der wichtigste Air-Berlin-Aktionär (29 Prozent) schon fast eine halbe Milliarde Euro an Geld und Sachleistungen in den einstigen "Mallorca-Shuttle" gepumpt. Jetzt fließen weitere 300 Millionen Euro. Diesmal in Form einer Wandelanleihe: Wenn Air Berlin das geliehene Geld nicht mehr verzinsen oder zurückzahlen kann, darf Etihad den Schuldschein in Anteile an Air Berlin "umwandeln".

Weitere 150 Millionen Euro muss Air Berlin sich über die Platzierung von Schuldscheinen am Kapitalmarkt besorgen. Denn die Lage ist ernst: Auch im vergangenen Jahr flog Air Berlin wieder einen Verlust von 316 Millionen Euro ein. Der Umsatz blieb mit 4,15 Milliarden Euro zwar fast stabil. Aber Air Berlin hat knapp 800 Millionen Euro Schulden. Das Eigenkapital ist verbraucht, und auch die Flugzeugflotte hat Air Berlin weitgehend versilbert. In den vergangenen fünf Jahren erwirtschaftete die Fluggesellschaft nur einmal Gewinn. Dürftige sieben Millionen Euro im Jahr 2012. Und auch das nur, weil Air-Berlin-Chef Wolfgang Prock-Schauer für das Jahr das Vielfliegerprogramm verkauft hatte. Für 184 Millionen Euro. Natürlich an Etihad.

Warum tun die Araber sich das an? Etihad-Chef James Hogan sammelt seit einigen Jahren billige Anteile an angeschlagenen Fluggesellschaften in Europa ein. Sie sollen ihm Passagiere an sein Heimat-Drehkreuz in Abu Dhabi bringen, wo Etihad sie bündelt und in alle Welt transportiert. Für diese Strategie ist Air Berlin kein schlechter Partner: Obwohl sie ihr Streckennetz aus Kostengründen bereits drastisch ausgedünnt hat, bietet Air Berlin immer noch 42 Prozent aller Billigflüge in Deutschland an. Allein im vergangenen Jahr beförderte Air Berlin 31,5 Millionen Gäste und hat damit immer noch das Zeug, die Lufthansa (104 Millionen Fluggäste)zu ärgern.

Aber der Preis von 900 000 Euro Verlust pro Tag ist Hogan dafür zu hoch. Gestern forderte er eine "schnellere und grundlegendere Sanierung". Das aktuelle Sparprogramm "Turbine", dem bereits 600 Stellen zum Opfer gefallen sind, reicht nicht mehr. Weitere Stellenstreichungen schließt Air Berlin ausdrücklich nicht aus. Branchenbeobachter nennen immer wieder die Air Berlin Technik als Ziel eines möglichen weiteren Abbaus: Bei der Tochter warten 1800 Mitarbeiter Flugzeuge - unter anderem in Düsseldorf. Das Unternehmen bestätigt das nicht und äußerte sich gestern überhaupt nicht zu den Inhalten der angekündigten Umstrukturierung. "Hier wird es keine Tabus geben, alles kommt auf den Prüfstand" - viel mehr sagte Prock-Schauer nicht. Die Pläne, Air Berlin von der Börse zu nehmen, sind jedenfalls erst einmal vom Tisch. "Das wurde geprüft und verworfen", sagte ein Insider unserer Zeitung. Dem Management ist das Risiko zu hoch, bei der Operation wichtige Flugrechte in Europa zu verlieren. Bei einem Börsenrückzug könnte der Etihad-Anteil so hoch werden, dass die Gesellschaft den übrigen Aktionären ein Pflichtangebot machen muss. Mit der Folge, dass Etihad die komplette Kontrolle über Air Berlin erhält. Dann wäre Air Berlin aber keine europäische Fluggesellschaft mehr sondern eine arabische - und könnte die europäischen Flugrechte verlieren.

Dasselbe Risiko droht auch, wenn Etihad die Wandelanleihe tatsächlich in Air-Berlin-Anteile "wandelt". Den Zeitpunkt hat Etihad aber unter Kontrolle: Die Wandelanleihe wurde sicherheitshalber ohne Laufzeitvorgabe konstruiert. Sie ist also theoretisch ein lebenslanges Darlehen für Air Berlin. Was immer "lebenslang" bei Air Berlin heißt.

(RP)
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