Berlin Air Berlin wartet auf Bundesregierung

Berlin · Der Verwaltungsrat der angeschlagenen Fluggesellschaft hat seine Entscheidung über das Sanierungsprogramm vertagt. Offenbar will Großaktionär Etihad erst wissen, wie viele Flüge er weiter über Air Berlin in Europa verkaufen darf.

Die 8400 Mitarbeiter von Air Berlin müssen weiter zittern. Der Verwaltungsrat, der gestern eigentlich über das Sanierungsprogramm von Air-Berlin-Chef Stefan Pichler abstimmen sollte, hat seine Entscheidung vertagt. Stattdessen traf sich am Vormittag um 10 Uhr in Berlin lediglich das Präsidium des Verwaltungsrates mit Pichler. Dennoch wurden auch die für heute verabredeten Gespräche mit der Pilotenvereinigung Cockpit bis gestern Abend nicht abgesagt.

Air Berlin hat seit zwei Jahren kein Eigenkapital mehr und das letzte Mal vor zehn Jahren operativ Geld verdient. Ohne die immer neuen Finanzspritzen des Großaktionärs Etihad wäre Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft wohl schon Pleite. Pichler wird das Streckennetz noch weiter ausdünnen und Personal abbauen müssen. Nach Informationen unserer Redaktion soll es vor allem die Verwaltung in Berlin und etwa 200 der gut 1000 Air-Berlin-Piloten treffen.

Gestern sollte der Verwaltungsrat Pichlers Pläne durchwinken. Etihad will zuvor aber eine wichtige Frage geklärt wissen: Wird Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Arabern auch künftig erlauben, zusammen mit Air Berlin eine Vielzahl gemeinsamer Flüge in Europa durchzuführen? Für Etihad ist die ausstehende Entscheidung zentral, mit der die Branche schon längst gerechnet hatte. Denn damit wollen die Araber den deutschen Branchenprimus Lufthansa auf dem europäischen Markt angreifen. Beobachter vermuten, dass die Bereitschaft der Araber, Air Berlin weiterhin frisches Geld zukommen zu lassen, ohne diese Möglichkeit stark nachlassen wird. Mit knapp 30 Prozent ist Etihad der größte Air-Berlin-Einzelaktionär.

Im Verkehrsministerium hieß es, in den Verhandlungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo die Fluggesellschaft Etihad ihren Sitz hat, gebe es noch kein Ergebnis. "Die Gespräche laufen noch", sagte ein Ministeriumssprecher. Die Bundesregierung habe Verhandlungen mit der Regierung in Abu Dhabi im April gestartet. Wann Ergebnisse vorlägen, sei offen. Man lasse sich dabei nicht unter Druck setzen, hieß es in Regierungskreisen.

Verkehrs-Staatssekretär Michael Odenwald hatte in Abstimmung mit dem Kanzleramt im April der Regierung in Abu Dhabi schriftlich mitgeteilt, dass die deutschen Behörden künftig nur noch solche Gemeinschaftsflüge (Code-Share-Flüge) von Air Berlin und Etihad genehmigen könnten, die in einem Luftverkehrsabkommen zwischen Deutschland und dem Emirat aus dem Jahr 1994 geregelt seien. Demnach würde es für 34 der 68 Flugverbindungen künftig keine Genehmigung des Luftfahrtbundesamtes mehr geben.

Die Bundesregierung droht mit dem Entzug der Genehmigungen, denn auch sie verfolgt ein Interesse. Sie will im Gegenzug für mehr Etihad-Spielraum in Europa die Möglichkeiten etwa der Lufthansa auf der arabischen Halbinsel verbessert wissen. Viel Zeit für ein Tauziehen bleibt allerdings nicht mehr: Spätestens Ende dieser Woche müssen Air Berlin und Etihad vom Luftfahrtbundesamt die Genehmigung für die Code-Share-Flüge bekommen. Sonst kippt der Winterflugplan. Die Code-Share-Flüge machen bei Air Berlin rund 200 Millionen Euro vom Umsatz aus. Der betrug im vergangenen Jahr 4,2 Milliarden Euro.

Aber auch intern sind Pichler und Etihad-Chef James Hogan sich nicht ganz grün. Pichler will vor allem im hoch defizitären Europa-Geschäft Verbindungen streichen. Hogan hingegen will genau diese Strecken erhalten wissen, damit Air Berlin die gewünschte Funktion als Zubringer für die Etihad-Langstrecke erfüllen kann. Air Berlin soll die Passagiere von Europa vor allem zum Etihad-Drehkreuz in Abu Dhabi bringen. Auch von Düsseldorf fliegt Etihad täglich nach Abu Dhabi. Dem Vernehmen nach entscheidet der Verwaltungsrat in wenigen Wochen.

(mar)
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