Kolumne Christian Kirchner Aktienpaket oder eigene Immobilie?

In der Dauerbrenner-Debatte "Kaufen oder Mieten" arbeiten Anhänger beider Seiten mit einer Fülle statistischer Tricks.

Wenn es um das Thema Sparen fürs Alter geht, öffnen sich zwischen den Anhängern selbst genutzten Wohneigentums und den klassischen Aktiensparern tiefe Gräben. Nicht nur, dass jede Seite der jeweils anderen vorwirft, Zeichen für eine spekulative Blase zu übersehen. Zur Verunsicherung vieler trägt auch bei, dass Immobilienanhänger wie Aktienfans mit allerlei statistischen Tricks und irreführenden Schlüssen arbeiten.

Nehmen wir die Wahl des Betrachtungszeitraums: Um die Entwicklung der Immobilienpreise in Großstädten in ein kritisches Licht zu rücken, genügt es, die Kauf- und Mietpreise seit 2008 zu untersuchen. Denn seit 2008 sind die Immobilienpreise tatsächlich besonders in Großstädten weit stärker gestiegen als die Mieten - ein Indikator, der für Ökonomen blasenhafte Entwicklungen kennzeichnet.

Dabei fällt meist unter den Tisch, dass es sich bei den Kaufpreisen lediglich um Aufholeffekte handelt: Seit den 80er Jahren sind die realen Immobilienpreise meist gefallen und liegen noch immer knapp ein Fünftel unter dem Niveau von 1970. Weil parallel dazu auch die Zinsen immer weiter gesunken und die verfügbaren Einkommen gestiegen sind, ist die Erschwinglichkeit von Wohneigentum trotz der gestiegenen Preise heute so hoch wie nie zuvor.

Das ist eine amüsante Parallele zum Aktienmarkt, denn auch dort galten die "Nuller Jahre" als verlorenes Jahrzehnt, in dem der Deutsche Aktienindex Dax rund zehn Prozent verlor - in den letzten fünf Jahren dann aber rund 80 Prozent zulegen konnte und historisch betrachtet keineswegs überbewertet ist.

Auch die Datengrundlage ist oft fragwürdig. So sieht etwa der Chart des Dax bei langen Betrachtungen immer schwindelerregend aus - weil bei seiner Berechnung auch Dividenden mit einfließen.

Die Datengrundlage ist auch bei Kauf- und Mietpreisen ein Thema. Dort ist es seit einiger Zeit in Mode, sich auf Auswertungen großer Internet-Immobilienportale zu stützen. Doch zwischen den Preisvorstellungen von Verkäufern und Vermietern und den tatsächlich erzielten Preisen liegen oft Welten. Als wir in diesem Frühjahr bei der Zeitschrift "Capital" die Immobilienmärkte in deutschen Großstädten untersucht haben, sind wir auf Abweichungen von bis zu 30 Prozent gestoßen, mit denen Vermieter und Verkäufer im laufenden Immobilienboom auf Dumme hoffen und Preisstatistiken verzerren.

Schließlich müssen sich Immobilienkäufer auch noch häufig anhören, sie seien zwar Profiteure der niedrigen Zinsen, aber schon der nächste Zinsschub oder Abschwung werde zu einem starken Immobilienpreisverfall führen und Kreditnehmer in Nöte bringen.

Es mag zwar tatsächlich Bauherren geben, die eine zu aggressive Finanzierung wählen - ein deutschlandweites Phänomen ist das aber nicht. Laut Daten von Pfandbriefbanken nutzen Deutsche die Niedrigzinsen zu höheren Tilgungen und längeren Zinsbindungen. Und sie bringen mehr Eigenkapital mit. Auch die Kreditvergabe der Banken ist in den vergangenen fünf Jahren, bedingt durch strengere Regulierung, rigider und nicht etwa laxer geworden, wie aus Bundesbank-Befragungen hervorgeht.

Nun haben Aktiensparer natürlich ein gewichtiges Argument in der Dauerbrenner-Frage "Kaufen oder Mieten" auf ihrer Seite: Es ist die langfristige Bruttorendite von Aktien, die rund zwei bis dreimal höher ist als die von Immobilien

Das Dumme ist nur: Papierrenditen sind die eine Sache. Denn in der Praxis erzielen nur die wenigsten Aktienanleger die Renditen, die möglich wären. Auf rund vier Prozent pro Jahr taxieren Ökonomen die Lücke zwischen Marktrenditen und dem, was bei Privatanlegern herauskommt, weil sie zu prozyklisch agieren, Trendthemen nachlaufen und zu teure Produkte kaufen.

Käufer von Wohneigentum gehen hingegen selbst bei identischem Einkommen im Schnitt weit reicher in Rente als Mieter, wie aus Bundesbank-Daten hervor geht. Ihr Immobilienkredit wirkt disziplinierend, und sie haben selbst nach Abzug von Aufwendungen für Zins und Tilgung höhere Sparquoten als Mieter.

In der Frage "Kaufen versus Mieten" geht es daher nicht nur um nackte Zahlen. Sondern auch darum, die vielen kleinen Tricks zu durchschauen - und vor allem eine realistische Selbsteinschätzung der eigenen Disziplin, und das sowohl beim Immobilienkredit als auch der alternativen Geldanlage.

CHRISTIAN KIRCHNER IST FRANKFURT-KORRESPONDENT DES WIRTSCHAFTSMAGAZINS "CAPITAL". DAS NÄCHSTE HEFT ERSCHEINT AM 23. JULI.

(RP)
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