Discounter feiern 100. Geburtstag Aldi — vom Bäckerladen zum Milliardenkonzern

Essen · Deutschlands größter Discounter feiert seinen 100. Geburtstag. Eine Erfolgsgeschichte, die quasi aus der Not geboren wurde.

Aldi Nord und Süd - historsiche Bilder des Discounters
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Aldi damals und heute - vom Bäckerladen zum Discounter

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Foto: dpa/-

Als der Bäcker Karl Albrecht am 21. April 1913 einen "Handel mit Backwaren" anmeldet, ist das eine Geschäftsgründung, die eigentlich aus der Not geboren wird. Albrecht ist gelernter Bäcker, aber er muss seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Und so kommt er auf die Idee, Brot zu verkaufen, statt es zu backen. Er geht zur damals zuständigen Bürgermeisterei in Stoppenberg (heute ein Stadtteil von Essen) und meldet sein Gewerbe an. Dass an diesem Montag über die Anmeldung mit der Nummer 162/93 der Grundstein für eine der großen Unternehmensgeschichten in Deutschland gelegt wird, ahnt zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand.

Heute ist im Haus neben der ersten Backwaren-Verkaufsfiliale in Essen zwar eine Aldi-Zweigstelle untergebracht. Aber ansonsten ist nichts mehr wie früher. Aus dem Bäckerladen der Vorkriegszeit ist unter dem Namen Aldi ein Milliarden-Imperium geworden. Deutschlands größter Discounter setzt nach Branchenschätzungen mehr als 60 Milliarden Euro um, davon gut 40 Prozent in Deutschland. Er beschäftigt rund 60 000 Mitarbeiter, und er macht dem Vernehmen nach nahezu eine Milliarde Euro Gewinn. Das ist allerdings eine geschätzte Zahl. Aldi selbst macht seine Ergebnisse nämlich nicht publik. Große Feiern sind zum Jubiläum ebenfalls nicht geplant.

Aber auch ohne öffentlichkeitswirksame Präsentation von Umsatz- und Gewinnzahlen ist Aldi omnipräsent. Die Logos der beiden deutschen Firmenteile Aldi Nord und Aldi Süd kennt jedes Kind, weil es insgesamt mehr als 4000 Filialen in Deutschland gibt. Das Unternehmen ist mit Abstand die Nummer eins in der Branche. Und wer ein Faible für die Reichtums-Statistiken des "Forbes Magazine" hat, stößt unweigerlich auf den Namen Albrecht.

Vermögen in Stiftungen eingebracht

Karl Albrecht, der mittlerweile 93-jährige Sohn des Firmengründers, und sein vor drei Jahren verstorbener Bruder Theo tauchten in dieser Liste stets gemeinsam auf. Karl Albrecht wurde in diesem Jahr mit einem geschätzten Vermögen von 20 Milliarden Euro zum wiederholten Male als reichster Deutscher geführt. Und unter den Reichsten der Welt stand er zuletzt auf Platz 18. Schon vor langer Zeit haben die Brüder ihr Vermögen in Stiftungen eingebracht.

Dass die Albrechts diesen Reichtum in der Vergangenheit zur Schau gestellt hätten, kann man nicht behaupten. Sie lebten stets fernab der großen weiten Welt. Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass Theo Albrecht Anfang der 70er Jahre Opfer einer spektakulären Entführung wurde. Am 29. November 1971 kidnappten ihn Hans-Joachim Ollenburg und Paul Kron. Zweieinhalb Wochen später kam Albrecht gegen Zahlung von sieben Millionen Mark frei - überbracht durch den damaligen Ruhrbischof Franz Hengsbach. Es war das höchste Lösegeld, das Verbrecher bis dahin in Deutschland erpresst hatten. Wer Albrecht bis dahin nicht kannte, dem wurde der Milliardär in dem 17 Tage dauernden Entführungsdrama ein täglicher Begleiter über die Tagesschau-Nachrichten.

Danach wurde es noch ruhiger um die Handelsfamilie Albrecht. Dafür ist das Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten gewaltig gewachsen. Der Name Aldi, einst entstanden aus dem Begriff "Albrecht Discount", ist längst mehr als das Unternehmen, das seine Waren billig verkauft und über den Preisvorteil den Markt beherrscht.

Nur Spekulationen über die Aufteilung

Die Marke Aldi ist so bekannt, dass sie allein schon einen Wert von 2,9 Milliarden Dollar hat. Diese Zahl hat Interbrand errechnet. Und wenn sie stimmt, ist die Marke Aldi trotz eines Rückgangs von sieben Prozent im Jahr 2012 immer noch weit mehr als doppelt so viel wert wie die Marke des Branchenzweiten Lidl.

Schlicht eingerichtete Läden und eine Niedrigpreis-Strategie — das war über Jahre das Erfolgsrezept der Gebrüder Albrecht, die 1961 das Unternehmen in Aldi Nord und Aldi Süd aufteilten. Über den Grund gibt es bis heute nur Spekulationen. Eins steht aber fest: "Die Familie hat Wirtschaftsgeschichte geschrieben mit der Erfindung eines Formates, das man bis dahin auf der ganzen Welt nicht kannte", sagt der Geschäftsführer des Kölner Handelsinstitutes EHI, Michael Gerling.

Andererseits ist Aldi aber nicht nur Anlaufziel für jene, die auf preiswerte Lebensmittel angewiesen sind. 2012 haben fünf von sechs Deutschen mehr oder weniger regelmäßig bei Aldi eingekauft. Und zwar nicht nur Lebensmittel. Seit Langem verkauft der Konzern auch Non-Food-Artikel. Jeder fünfte Umsatz-Euro kommt angeblich aus diesem Geschäft - Gartenstühle, Urlaubsreisen, Handy-Tarife, Computer, Töpfe. Der neueste Verkaufsschlager könnten Fernbusreisen werden. Davon hat Karl Albrecht vermutlich nicht mal geträumt.

(RP/felt/das)
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