Frankfurt Anleger fliehen aus Steinhoff-Aktie

Frankfurt · Der Mutterkonzern der Poco-Möbelmärkte verliert mit dem Rücktritt des Vorstandschefs und dem Verdacht auf Bilanzfälschungen das Vertrauen der Aktionäre. Auch die EZB gerät in den Strudel des Kurssturzes.

Frankfurt: Anleger fliehen aus Steinhoff-Aktie
Foto: imago

Gestern ging es weiter abwärts mit der Aktie des deutsch-südafrikanischen Möbelkonzerns Steinhoff. Der Grund: Dem Unternehmen, nach Ikea der zweitgrößte Möbelhändler weltweit, wird Bilanzfälschung vorgeworfen. Der langjährige Vorstandsvorsitzende Markus Jooste war deshalb mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Allein seit Montag hat die im M-Dax notierte Aktie etwa 80 Prozent an Wert verloren, sie notierte gestern bei unter 80 Cent. Ein Händler sagte: "Die Aktie will aktuell keiner mehr haben, alle wollen raus."

Steinhoff ist ein Konzern mit Rechtssitz in Amsterdam und einem operativen Hauptquartier in Südafrika. In Deutschland ist Steinhoff vor allem durch seine Poco-Möbelhäuser bekannt: In den über 100 Poco-Märkten sind rund 7500 Mitarbeiter beschäftigt.

Eigentlich hatte das Unternehmen erst am Dienstag zur Vorstellung seiner Geschäftszahlen für den Mittwoch eingeladen. Doch die Präsentation wurde verschoben, man werde die Zahlen veröffentlichen, sobald man dazu in der Lage sei, teilte das Unternehmen mit. Auch die vergangenen Berichte müssten möglicherweise korrigiert werden. Mit einer unabhängigen Untersuchung wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PWC) beauftragt.

Wie verworren die Lage ist, zeigte auch eine Pressemitteilung. Darin warnt das Unternehmen sogar vor seinen eigenen Aktien: "Aktionären und anderen Steinhoff-Investoren sei geraten, vorsichtig beim Handel mit Steinhoff-Aktien zu sein."

Großaktionär Christoffel Wiese führt nun als Interimschef das Unternehmen. Der Milliardär, der mit etwa 23 Prozent Anteil größter Anteilseigner des Unternehmens ist, will die Liquidität aufbessern, indem er Randgeschäfte verkauft. Es gebe schon Interessensbekundungen, Wiese hofft offenbar auf mindestens eine Milliarde Euro an Verkaufserlösen.

Wegen Bilanzfälschung ermittelt seit August die Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen vier aktuelle und ehemalige Verantwortliche des Konzerns - in Oldenburg deshalb, weil die Europa-Zentrale des Unternehmens im ostfriesischen Westerstede liegt. Der Verdacht: Es seien überhöhte Umsatzerlöse ausgewiesen worden. Denn Firmen, die zum Konzern gehören, sollen Gesellschafteranteile oder immaterielle Werte in offenbar dreistelliger Millionenhöhe an angeblich fremde Unternehmen verkauft haben. Diese Unternehmen sollen, davon gehen die Ermittlungen aus, dem Konzern nahestehen.

Schon beim Gang an die Frankfurter Börse vor zwei Jahren hatte die Staatsanwaltschaft die Europazentrale wegen des Verdachts auf unredliche Geschäftspraktiken durchsucht - ein Vorwurf, den das Unternehmen immer von sich gewiesen hatte.

Neben diesen Untersuchungen, die womöglich auch noch auf Interimschef Wiese ausgedehnt werden könnten, streitet sich das Unternehmen mit seinem früheren Geschäftspartner Andreas Seifert. Der Mitinhaber des österreichischen Möbelhändlers XXX-Lutz hatte sich zunächst mit Steinhoff unter anderem an dem Möbeldiscounter Poco beteiligt.

Pikant ist zudem, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) von dem Kurssturz betroffen ist. Sie hat im Rahmen ihres milliardenschweren Wertpapier-Kaufprogramms Anleihen von Steinhoff gekauft. Die von der EZB gehaltene Anleihe mit Laufzeit bis 2025 verlor an Wert: Ihre Rendite vervierfachte sich von 3,5 auf fast zwölf Prozent - ein Zeichen, wie hoch das Ausfallrisiko für diese Papiere inzwischen von der Börse eingeschätzt wird. Wie hoch das Engagement der Währungshüter ist, teilen diese nicht mit, allerdings unterliegen sie strengen Anlagebestimmungen.

(RP)
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