Prozess um Millionenerbe Arag-Streit: 34 Jahre und noch kein Ende

Düsseldorf · Konzernchef Faßbender soll seiner Schwester 3,5 Millionen Euro zahlen. Der Fall wird wohl vor dem OLG landen.

Prozess um Millionenerbe: Arag-Streit: 34 Jahre und noch kein Ende
Foto: Zörner

Das Testament, um das es geht, ist schon mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Es stammt vom damaligen Arag-Miteigentümer Walter Faßbender, der 1965, sieben Jahre vor seinem Tod, verfügte, dass sein Sohn Paul Otto große Teile seines 50-Prozent-Anteils erben und dafür seiner Schwester Petra einen finanziellen Ausgleich zahlen sollte. Darüber, wie hoch diese Entschädigung zu sein hat, wird nun seit mehr als vier Jahrzehnten gestritten, davon 34 Jahre vor Gericht.

Seit gestern ist das mit Abstand längste Zivilverfahren beim Düsseldorfer Landgericht vom Tisch - zumindest vorerst. Im Erbstreit hat das Gericht der klagenden Schwester einen Bruchteil ihrer ursprünglich geforderten 20 Millionen Euro zugesprochen. Laut Urteil muss Paul-Otto Faßbender (70), seit 17 Jahren Vorstandsvorsitzender des Düsseldorfer Versicherungskonzerns, der vier Jahre jüngeren Klägerin einen Erbausgleich von rund 3,5 Millionen Euro zahlen. Plus Zinsen. Doch die werden nun nicht ab dem Tod des Versicherungs-Patriarchen im Jahre 1972 berechnet oder seit Prozessbeginn im Jahre 1983, sondern ab dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil von gesten Rechtskraft erlangt.

Ob und wann das der Fall sein wird, bleibt offen. Petra Faßbenders Rechtsbeistand hat nach eigenen Angaben unmittelbar nach der Urteilsverkündung Berufung eingelegt. "Das Gericht ist dem Gutachter gefolgt, der mit seiner abseitigen Bewertung von Anfang an auf dem völlig falschen Dampfer war", sagte Anwalt Lambertus Fuhrmann. Der Fall wandert also vor das Oberlandesgericht Düsseldorf. Wann dort verhandelt wird, steht noch nicht fest.

Fast dreieinhalb Jahrzehnte Rechtsstreit und immer noch kein Ende - die Familienfehde ist zur unendlichen Geschichte geworden. Selbst nach einer OLG-Entscheidung könnte der Streit weitergehen. "Das ist zu befürchten. Ich verstehe nicht, dass meine Schwester bereits ein neues Anfechtungsverfahren gegen den letzten Willen unserer 2015 verstorbenen Mutter eingeleitet hat", sagte Paul-Otto Faßbender unserer Redaktion.

Auf den ersten Blick könnte der Arag-Chef im Geschwisterstreit als Gewinner gelten. Faßbender sagte gestern, er begrüße es, "dass sich nach nunmehr 34 Jahren erstmals ein Gericht zur Höhe des zustehenden Ausgleichsanspruchs geäußert hat." Er würde es gutheißen, wenn seine Schwester das Urteil rechtskräftig werden lasse, damit er ihr den Betrag überweisen könne, "um diese Auseinandersetzung endlich zu beenden".

Zehn Millionen Euro habe er der Schwester als Ausgleich für Firmenanteile angeboten, um "einen dauerhaften Familienfrieden herzustellen", hatte Faßbender bei Gericht bereits Ende des vergangenen Jahres erklärt. Dreimal, 1990, 2011 und zuletzt 2016 habe es Versuche gegeben, den Streit außergerichtlich beizulegen. "Alle Vorschläge wurden leider von meiner Schwester abgelehnt", sagte Faßbender gestern auf Anfrage. Sieht er jetzt noch eine Chance? "Natürlich, wenn beide Seiten dies ernsthaft wollen. Ich bin dazu immer bereit." 3,5 Millionen Euro soll er jetzt zahlen. Sein Anwalt Gerd Krieger schloss beim Urteilstermin nicht aus, dass sein Mandant die Differenz freiwillig drauflegt: "Er will seine Schwester ja fair behandeln."

Wie hoch genau der Wert des heutigen Weltkonzerns in den 70er Jahren zu beziffern war, darüber haben Gutachter Jahrzehnte lang gezankt. So lange, bis ein Gutachter an Demenz erkrankte, einer der Prozess-Anwälte gar starb. Zwischenzeitlich entbrannte noch ein Streit: Die 90-er Jahre waren geprägt vom Zwist mit Paul-Otto Faßbenders Cousin Ludwig, nachdem die Arag durch die "Garmenbeck"-Affäre rund 55 Millionen Euro verloren hatte - nach Geschäften mit einem Finanzjongleur namens Walter Amend, der mit atemberaubenden Renditeversprechen Anlegern Millionen aus der Tasche gezogen hatte. Ludwig Faßbender, damals Arag-Chef, geriet schwer in die Kritik, der Streit ging bis vor den Bundesgerichtshof. Am Ende übernahm Paul-Otto die Anteile seines Cousins, der 1998 ausschied. Der Familienstreit schien über Jahre schwer zu schlichten, aber mittlerweile ist Gras über die Angelegenheit gewachsen. Das Verhältnis der Faßbenders untereinander habe sich "normalisiert", heißt es.

(RP)
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