Viele neue Jobs in Deutschland Jede zweite neue Stelle geht an einen Migranten

Berlin · Die Zahl der Beschäftigten stieg 2015 um 324.000 auf den Rekord von 43 Millionen. Fast jeder neue Job ist sozialversicherungspflichtig. Jede zweite der neuen Stellen wurde von einem Migranten besetzt.

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Foto: dpa, fg nic

Für Arbeitnehmer bietet Deutschland weiter beste Voraussetzungen: Die Zahl der Beschäftigten stieg im Jahresdurchschnitt 2015 auf das neue Rekordniveau von 43,0 Millionen - und ein Ende des positiven Trends am Arbeitsmarkt zeichnet sich auch für 2016 nicht ab. Die Erwerbstätigenzahl lag um 324.000 oder 0,8 Prozent über dem Stand des Vorjahrs, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Den bislang letzten Rekord hatten die Statistiker erst 2014 gemessen, als die Beschäftigung um 0,9 Prozent auf 42,64 Millionen gestiegen war.

Wichtigste Ursache ist das seit Jahren andauernde stabile Wirtschaftswachstum. Liegt es auch nur knapp über dem sogenannten Potenzialwachstum - jener Rate, bei der die Wirtschaft langfristig voll ausgelastet ist -, so werden zusätzliche Stellen geschaffen. 2015 erreichte das Wachstum etwa 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es lag damit leicht über der Potenzialwachstumsrate von fast 1,5 Prozent.

Auch die Hartz-Reformen von 2005 wirken weiter positiv nach. Sie machten den Arbeitsmarkt flexibler. Im Ergebnis wurden seit Ende der 2000er Jahre ständig neue Jobs geschaffen. Viele von ihnen erforderten eine geringere Arbeitsproduktivität. Mancher Ökonom macht sich heute über eine zu geringe deutsche Arbeitsproduktivität Sorgen, denn diese ist wiederum ein entscheidender Faktor für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Landes.

Anders als landläufig vermutet, lässt sich der Job-Boom von 2015 jedoch nicht mit mehr atypischen Beschäftigungsverhältnissen - also mit mehr Mini-Jobs, Teilzeit oder Zeitarbeit - erklären. Im Gegenteil, es entstanden vor allem vollwertige neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Der Anstieg 2015 lasse sich sogar ausschließlich damit erklären, hieß es im Statistischen Bundesamt. Denn die Zahl der Selbstständigen sei um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Auch die Zahl der marginal Beschäftigten, die auch geringfügige Beschäftigung wie Mini-Jobs und Ein-Euro-Jobs umfasse, habe abgenommen. Einen überproportionalen Anstieg von Teilzeit- oder Leiharbeiterstellen nahmen die Statistiker ebenfalls nicht wahr: Mit etwa 25 Prozent aller Arbeitnehmer-Jobs sei die Teilzeitquote 2015 konstant geblieben, ebenso die Zahl der Leiharbeiter mit etwa 750.000, hieß es in Wiesbaden.

Positiv auf den Arbeitsmarkt wirkt derzeit die Flüchtlingskrise, denn die Migranten brauchen Betreuung. Dafür gibt der Staat Milliarden aus. "Das Wachstum wird dadurch schätzungsweise um einen Viertelpunkt gesteigert. Das schafft auch neue Jobs, vor allem im öffentlichen Sektor. Aber das ist kein sehr großer Effekt", sagt Andreas Scheuerle von der Dekabank. Je mehr Flüchtlinge anerkannt würden, desto stärker werde das Arbeitskräfteangebot zunehmen.

Da die meisten jedoch noch nicht den Anforderungen entsprächen, werde die Arbeitslosenzahl ansteigen. Ökonomen gehen von etwa 100.000 zusätzlichen Arbeitslosen 2016 aus. Gleichzeitig werde aber auch die Erwerbstätigenzahl nochmals um 200.000 oder sogar mehr steigen. "Im Dienstleistungssektor spielt die Musik", sagt Scheuerle, "wir verzeichnen einen Jobaufbau im Immobiliensektor und bei den Unternehmensdienstleistungen, aber auch im Bereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie bei Dienstleistern im Gesundheits- und Sozialbereich."

"Flüchtlinge haben das Potenzial, langfristig einige der Lücken im deutschen Arbeitsmarkt füllen zu können, wenn ihre Integration gelingt", sagt Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Zudem hätten Migranten schon heute einen großen Anteil am Rekordstand bei der Beschäftigung. "Mehr als die Hälfte der fast zwei Millionen zusätzlichen Jobs seit Ende der 2000er Jahre sind durch Migranten gefüllt worden", sagt Fratzscher.

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(mar)
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