Düsseldorf Athen kommt Gläubigern entgegen

Düsseldorf · Die Reformliste von Premier Tsipras enthält wesentliche Punkte, die die Institutionen verlangt haben. Das könnte den Weg für ein weiteres 53,5-Milliarden-Euro-Hilfspaket freimachen. Ökonomen fordern zudem eine Umschuldung.

Griechenlands Premier Alexis Tsipras ist mit seiner jüngsten Reformliste eine Überraschung geglückt. Nach den Hängepartien der vergangenen Woche scheint die Regierung in Athen erstmals auf die Geldgeber zuzugehen.

"Wir waren sehr überrascht darüber, was die Griechen da vorgelegt haben", sagt Matthias Diermeier vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Vor zwei Wochen noch hatte die Regierung in Athen den Gläubigern eine Reformliste präsentiert, die den Institutionen nicht gereicht hat und von diesen stark überarbeitet wurde. Dann kam das Referendum, bei dem die Reformvorschläge mehrheitlich abgelehnt wurden. Nun legt Tsipras eine Liste vor, die nahezu eins zu eins der von den Gläubigern überarbeiteten Fassung entspricht." Diermeier vermutet, die Kompromissbereitschaft hänge damit zusammen, dass zuvor nur über Überbrückungsmaßnahmen verhandelt worden sei und nicht über das nun beantragte 53,5-Milliarden-Euro-Paket.

Der Konjunktur-Experte am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Roland Döhrn, sieht gute Ansätze, um die strukturellen Probleme in den Griff zu bekommen. Es sei begrüßenswert, dass Subventionstatbestände abgeschafft werden sollten. "Warum sollte ein Hotelier auf einer Insel einen anderen Mehrwertsteuersatz bezahlen als ein Kollege auf dem Festland? Und was spricht dafür, mit den Reedern eine ganze Branche steuerlich zu bevorzugen?", fragt der RWI-Experte.

Allerdings wollten die Griechen nicht alle Forderungen der Gläubiger erfüllen, erklärt IW-Experte Diermeier: "Statt des geforderten zwei-stufigen Mehrwertsteuersystems bleibt es bei dem dreistufigen." Auch beim Verteidigungshaushalt gebe es Unterschiede: Die Institutionen hatten 400 Millionen Einsparungen über zwei Jahre verlangt, Griechenland hat bislang 200 Millionen geboten und stockt diesen Betrag nun auf 300 Millionen auf.

"Der nun gemachte Vorschlag ist unternehmerfreundlicher, was wir ausdrücklich begrüßen", sagt Diermeier. Bislang wollte Tsipras die Unternehmenssteuer von 26 auf 29 Prozent anheben. Diermeier: "Das wäre ein Rückschlag für Investoren gewesen." Deshalb sei es gut, dass die Griechen dem Wunsch der Gläubiger entsprochen hätten und die Besteuerung nur auf 28 Prozent erhöhen wollten. Neu ist auch ein Puffer von 330 Millionen Euro: Wenn alle Maßnahmen nicht ausreichen, um die Fiskalziele zu erreichen, werden die Besteuerung von Mieteinnahmen sowie Körperschaftsteuern erhöht.

Einer der wichtigsten Punkte aus Sicht von Diermeier ist, dass die Griechen ihren Widerstand gegen die schrittweise Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 sowie die Verteidigung der Frühverrentung aufgegeben haben. RWI-Konjunturexperte Döhrn verspricht sich zudem günstige Folgen von der geplanten Entschlackung der öffentlichen Verwaltung und der Stärkung der Steuerfahndung: "Die wurde vor ein paar Jahren von einer Vorgängerregierung nach dem Motto ,Die bringt ja eh nichts' nahezu abgeschafft." Das Reformpaket bringe zunächst Belastungen. Die Rentenreform werde vor allem die kleinen Leute treffen. "Wenn man zugleich die Reeder dazu bringt, dass sie überhaupt einmal Steuern zahlen, dann wird die soziale Balance wieder hergestellt", sagt Döhrn. Das Problem sei doch, dass der Staat jahrelang über seine Verhältnisse gelebt habe: "Das zu ändern, ist nicht hinzubekommen, ohne dass jemand dafür bezahlt."

Griechenland habe bis 2008 zudem von unrealistisch günstigen Zinsen profitiert. 1997 noch lag der Zehn-Jahres-Zins bei 17 Prozent. Mit der Ankündigung, dass Griechenland den Euro bekomme, habe sich dieser an das deutsche Niveau angepasst. "Das war quasi ein dauerhaftes Stimulationsprogramm für die Wirtschaft. Das ist im Zuge der Finanzkrise einfach weggefallen. Griechenland befindet sich jetzt möglicherweise wieder auf Normalniveau", sagt Döhrn.

Für Holger Sandte, Chefvolkswirt beim Finanzdienstleister Nordea, wäre genauso wichtig wie das jetzt präsentierte Reformvorhaben eine Umstrukturierung der Schulden: "Es würde den Griechen helfen, wenn IWF und EZB zu einer Zinsreduktion und einer Stundung der Schulden bereit wären." Die Griechen würden dadurch Luft bekommen, um ihre Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen und den aufgeblähten Staatsapparat zu entschlacken. "Man könnte sich ein Beispiel am Euro-Rettungsschirm nehmen: Mit dem EFSF wurde auch eine Rückzahlung erst für 2022 vereinbart. Und auch dort zahlt Griechenland deutlich niedrigere Zinsen", sagt Sandte.

(RP)
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