Kolumne Karsten Tripp Auch asiatische Aktien gehören ins Depot

Viele kaufen die Anteilsscheine westlicher Firmen, die im Fernen Osten wegen des dortigen Aufschwungs gut im Geschäft sind. Es ist aber nicht sicher, dass sie die Konkurrenz aus Asien dauerhaft in Schach halten. Das sollten Anleger bedenken.

Im Sport geht es oft um Geschwindigkeit - beim Laufen, Radfahren, Schwimmen, im Motorsport. Bei allen Unterschieden bleibt eines immer gleich: wer hinten liegt und zum Führenden aufschließen will, muss schneller sein als der. Abkürzungen und technische Tricks sind nicht erlaubt.

Ganz so klar und einfach läuft es im Wirtschaftsleben nicht. Nehmen Sie China - ein Land, das offiziell noch den Status eines Entwicklungslandes hat und bei der technischen Ausstattung seiner Haushalte noch vor 30 Jahren weit hinten lag.

Wer genau verfolgt hat, wie die Chinesen bei schnurlosen Telefonen oder Laptop-Computern aufholen, hat den entscheidenden Punkt verpasst. Diese Geräte sind dort nie richtig in Mode gekommen. Stattdessen wurde China gleich zum Land der Handys und Tablets. So hat man nicht nur eine technische Generation, sondern einen ganze Geräteklasse übersprungen. Ähnliches scheint sich gerade beim Auto zu vollziehen. Ob jemals ein chinesischer Autobauer einen Verbrennungsmotor bauen wird, der europäischen Modellen ebenbürtig ist? Wir wissen es nicht, aber Zweifel sind erlaubt. Denn es gibt im Heimatmarkt chinesischer Hersteller absehbar nicht genug Nachfrage, um den Aufwand zu rechtfertigen. Lieber konzentriert man sich gleich auf das Elektroauto, das im Stadtverkehr enorme Vorteile aufweist. Gelingt das, überspringt China auch beim Auto eine ganze Klasse.

Erstaunlich sind aber nicht nur die Entwicklungssprünge in Ländern wie China. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass Geräte wie Mobiltelefone und Autos im täglichen Leben dieser Weltregionen heute eine so große Rolle spielen. Untrennbar verbunden ist das mit dem Entstehen einer Mittelschicht. Sie ist eine der größten sozialen Erfolge der Globalisierung. Sie hat einige Millionen Menschen im Westen vorübergehend arbeitslos gemacht, aber Hunderte Millionen - vor allem in Asien - aufsteigen lassen. Allein in China zählt die HSBC heute 450 Millionen Einwohner zur Mittelschicht, mehr als in ganz Europa. Und wir erwarten, dass in den nächsten sechs Jahren mehr als 300 Millionen hinzukommen. China versetzt sich dadurch selbst in die Lage, sein Wirtschaftswachstum anzutreiben. Es ist nicht mehr darauf angewiesen, Waren an gut verdienende Konsumenten in anderen Erdteilen zu liefern. Stattdessen ziehen die Einfuhren nach China kräftig an. Luxusmarken des Westens sind zunehmend gefragte Statussymbole; viele Rohstoffe, die das Land bei rasantem Wachstum verbraucht, führt es aus Australien, Afrika und Südamerika ein.

Das alles klingt nach guten Nachrichten, doch es steckt auch eine Drohung darin. Viele Vorsprünge, die der Westen für sich in Anspruch nehmen konnte, gibt es nicht mehr. Soziale Stabilität und Bildung etwa haben andere heute auch. Oder sie zählen nicht mehr, wie die Fähigkeit, einen tollen Achtzylinder zu bauen. Ohne einen starken Heimatmarkt haben Unternehmen aber keine Chance. Fehlt in Deutschland die Infrastruktur, wird auch die Technik von morgen hier keinen starken Heimatmarkt mehr haben. Ohne Ladesäulen für Elektroautos und wirklich schnelles Internet steigen unsere Hersteller bald in die zweite Liga ab. Vielen Anlegern sind die Wachstumsvorteile Asiens bewusst; sie kaufen gerade deshalb Aktien großer westlicher Unternehmen, die im Fernen Osten gut im Geschäft sind. Es ist aber keineswegs ausgemacht, dass die westlichen Platzhirsche die asiatische Konkurrenz auf Distanz halten können. Deshalb gehören auch einige asiatische Aktien ins Depot.

DER AUTOR IST CHEFANLAGESTRATEGE PRIVATE BANKING HSBC DEUTSCHLAND.

(RP)
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