Düsseldorf Ausbildung in der virtuellen Realität

Düsseldorf · Dachdecker lassen Drohnen über Häuser fliegen, Mechatroniker lernen Abdichten mithilfe virtueller Realität - die Digitalisierung ist in vielen Berufen angekommen. Das bedeutet neue Herausforderungen für die Ausbildung.

Ein Kfz-Mechatroniker, der mit einem Schraubenschlüssel in der Hand unter dem Auto liegt? Ein Klischee, das längst überholt ist. Zumindest im Mercedes-Werk in Düsseldorf, wo Auszubildende bereits virtuell Lackieren und Schweißen lernen, Lehrvideos auf sogenannten Smartboards - einer Art Computer in Fernsehergröße - schauen und bald auch mit Virtual-Reality-Brillen das Abdichten von Fahrzeugen erlernen. Max Weber, Azubi im dritten Lehrjahr, hatte zwar einen modernen Ausbildungsplatz erwartet. Aber: "Dass es so umfangreich werden würde, hätte ich nicht gedacht", sagt der 26-jährige Düsseldorfer.

Die Ausbildung hat sich in allen Branchen stark gewandelt. Das wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor Augen geführt, der gerade im Rahmen der "Woche der beruflichen Bildung" durch das Land reist und Betriebe besucht. Heute trifft er zum Abschluss in Düsseldorf zu einer Diskussion mit Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern (IHK) und Gewerkschaften zusammen.

Weder im Handwerk noch in der Industrie oder im Handel gibt es Branchen, die von der Digitalisierung und neuer Technik unberührt geblieben sind, heißt es von den Kammern. Dachdecker etwa nutzen Drohnen, um den Zustand eines Dachs einschätzen zu können. Die Entwicklung wirkt sich deutlich auf die Ausbildungen aus. Marcel Swierczok etwa war bei seinem Praktikum, das er vor der Ausbildung gemacht hat, überrascht, dass technische Modellbauer längst nicht mehr mit dem Zollstock unterwegs sind und Werkstücke ausmessen. Stattdessen hantiert er nun als Auszubildender im dritten Lehrjahr beim Modellbauunternehmen Zech und Waibel in Neuss mit den verschiedensten Datensätzen. Obwohl inzwischen viel über Maschinen läuft, ist der 22-Jährige begeistert, wie viel er selbst noch in seinem Handwerksjob tun kann: "Wenn man etwas von einer 2D-Zeichnung in die Realität übertragen hat, ist das ein schönes Gefühl." An seiner Berufsschule in Neuss sieht er dagegen noch Modernisierungspotenzial. "Wir haben Beamer und Software, aber da gibt's noch Handlungsbedarf."

Einzelne Berufsschulen stechen laut IHK Düsseldorf bereits heute hervor. So gebe es in der Landeshauptstadt etwa für Azubis im Hotelgewerbe modern eingerichtete Gasträume, Schulen mit kompletten Druckstraßen oder solche mit nagelneuem Chemietrakt. Zudem finde eine Dezentralisierung der Ausbildung statt, sagt IHK-Berufsbildungsexperte Norbert Woehlke. "Durch digitale Lernangebote muss der Azubi nicht mehr auf dem Schoß des Ausbilders sitzen."

Abgeschlossen wird die Entwicklung der Ausbildungen hin zum Digitalen und zu neuen Technologien wohl nie sein. Immer wieder müssen die Ausbildungspläne an den technischen Fortschritt angepasst werden, berichten die Kammern. Damit etwa Max Weber als Kfz-Mechatroniker die Elektro- und Hybridfahrzeuge der Zukunft herstellen und reparieren kann. Demnächst könnte für ihn auch das autonome Fahren zum Thema werden. Die neuen Ausbildungsinhalte spiegeln sich oft auch in neuen Namen der Ausbildungsberufe wieder. So heißen Drucker inzwischen Medientechnologen, Reisekaufleute sind Tourismuskaufleute und der Mechaniker ist schon vor Jahrzehnten zum Mechatroniker geworden.

Eine digitale Herausforderung steht für die Betriebe allerdings noch vor der Ausbildung: die Ansprache von jungen Leuten über die sozialen Medien. Weil immer mehr Schüler das Abitur machen und vieler von ihnen lieber studieren als eine Ausbildung absolvieren wollen, fehlt es in Handwerk, Handel und Industrie seit Jahren an Nachwuchs. Firmenaccounts auf Instagram oder Facebook können laut HWK eine Kommunikation auf Augenhöhe bieten und Jugendliche auf die Firma aufmerksam machen. Doch solche Accounts hat noch lange nicht jeder Betrieb.

(mre)
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