Leverkusen Bayer hat bei Covestro nichts mehr zu sagen

Leverkusen · Bayer senkt seine Beteiligung unter 25 Prozent und kappt damit seine historischen Wurzeln. Aus dem Versuch, die Tochter an einen anderen Konzern abzugeben, wurde aber nichts. Für Covestro steigen die Chancen auf den Dax.

Leverkusen: Bayer hat bei Covestro nichts mehr zu sagen
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Für Bayer ist jetzt Schluss mit Kunststoff: Der Leverkusener Konzern gibt die Kontrolle über seine Tochter Covestro endgültig ab. Er verkaufte für eine Milliarde Euro ein Paket von 6,9 Prozent der Covestro-Aktien und senkt damit seine Beteiligung auf 24,6 Prozent. Bayer hat das Paket an wenige ausgewählte Investoren verkauft - an wen, sagt der Konzern nicht. Offenbar hat aber keiner mehr als drei Prozent erworben, denn das wäre meldepflichtig. An der Börse kam der Deal gut an: Die Covestro-Aktie legte zeitweise um 4,5 Prozent auf 75 Euro zu, die Bayer-Aktie um fast zwei Prozent auf 115 Euro.

2015 führte die Mutter Covestro an die Börse, in diesem Jahr brachte sie drei große Pakete per Bookbuilding-Verfahren unter das Anlegervolk. Das spülte Bayer bereits über sechs Milliarden Euro in die Kasse. Zudem hat man 8,9 Prozent der Aktien an den Bayer Pension Trust abgegeben und eine Wandelanleihe auf Covestro-Aktien ausgegeben.

Offenbar hat Bayer auch ausgelotet, die gesamte Beteiligung an institutionelle oder strategische Investoren (also andere Chemiekonzerne) zu verkaufen, wie es in Finanzkreisen heißt. Covestro hätte damit etwa Teil eines anderen Chemieriesen werden und womöglich seine Unabhängigkeit verlieren können. Vergleichbares hat der Energiekonzern Eon derzeit mit Uniper vor. Die Bank Lazard soll von Bayer mit einem entsprechenden Mandat beauftragt worden sein. Bayer wollte sich dazu nicht äußern. Es wurde ja ohnehin nichts daraus.

Bayer will den verbleibenden Covestro-Anteil auch noch verkaufen. "Wir sind unserem Ziel, uns mittelfristig vollständig von Covestro zu trennen, einen großen Schritt nähergekommen", sagte Bayer-Chef Werner Baumann. Damit kappt das Unternehmen seine historischen Wurzeln. Die chemische Herstellung von Farbstoffen (Fuchsin, Anilin) stand am Anfang der Bayer-Geschichte.

Um zu unterstreichen, dass die Mutter nichts mehr zu sagen hat, schlossen die Unternehmen zugleich einen "Entherrschungsvertrag". Damit verzichtet Bayer auf bestimmte Stimmrechte bei der Covestro-Hauptversammlung, muss aber die Tochter auch nicht mehr voll konsolidieren. Schon bei der Quartalsbilanz am 26. Oktober soll Covestro nur noch als "nicht-fortgeführtes Geschäft" behandelt werden. Branchenbeobachter mutmaßen, dass Bayer damit auch den Weg für eine künftige Kapitalerhöhung ebnen will. Anleger mögen aktuell Konzerne, die sich auf wenige Bereiche konzentrieren und damit transparenter sind als Mischkonzerne. Bayer versteht sich mit dem Pharma- und Agrochemie-Geschäft als Life-Science-Konzern und will mit der klassischen Chemie nichts mehr zu tun haben.

Die Kapitalerhöhung wird nötig, weil Bayer den US-Konzern Monsanto für 59 Milliarden Euro kaufen will. Das will man zu umgerechnet 16 Milliarden Euro mit Eigenkapital finanzieren. Vier Milliarden hat man bereits per Pflichtwandelanleihe eingenommen. Wegen der langwierigen Verhandlungen mit den Kartellwächtern der EU-Kommission hat Bayer den Abschluss des Deals aber auf 2018 verschoben.

Bei Covestro kommt die Abnabelung von Bayer gut an. Je größer der Streubesitz wird, desto stärker steigen die Chancen, die erste Börsenliga zu erklimmen. "Im nächsten Jahr könnte Covestro in den Dax aufsteigen, zumal das Handelsvolumen mit Covestro-Aktien schon hinreichend groß ist", hatte Covestro-Chef Patrick Thomas unlängst unserer Redaktion gesagt. Schärfster Konkurrent ist dabei der ebenfalls noch im M-Dax notierte Immobilienkonzern Deutsche Wohnen. Thomas sagte, der Dax-Aufstieg sei kein Wert an sich. "Aber natürlich wäre er ein Erfolg und könnte unsere Aktie weiter beflügeln."

(anh)
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