Düsseldorf Chemie sorgt sich vor Billigkonkurrenz

Düsseldorf · Weil die Wettbewerber aus China und den USA immer günstiger produzieren können, setzen Henkel, Evonik, Altana und Bayer zunehmend auf Spezialisierung. Experten rechnen mit weiterem Wachstum - aber nicht mit mehr Jobs.

Bayer, Henkel, Evonik und Altana sorgt sich vor Billigkonkurrenz
Foto: Ferl

Vier große Herausforderungen muss die in NRW extrem wichtige Chemieindustrie auf dem Weg in die Zukunft meistern. Weil gerade US-Wettbewerber mit immer niedrigeren Energiekosten kalkulieren können, drängen Evonik aus Essen, Henkel aus Düsseldorf oder auch Lanxess aus Köln und Bayer aus Leverkusen massiv darauf, dass die Kosten der deutschen Energiewende nicht weiter aus dem Ruder laufen. "Wir arbeiten intern und mit Partnern in einer Verbundproduktion", sagt Daniel Brünink, Leiter Economic and Market Intelligence bei Evonik, "diese Stärke müssen wir behalten."

Zweitens müssen alle Anbieter den richtigen Mix zwischen hiesiger Produktion und dem Aufbau neuer Werke in Asien oder Amerika finden. "Weitere Internationalisierung hin zu den Wachstumsmärkten gehört für uns zur Strategie", sagt Henkel-Chef Kasper Rorsted - schon bald soll der Umsatz in Ländern wie China oder Indien die Hälfte des Geschäftes weltweit ausmachen.

Evonik aus Essen hat als bisher größte Investition der Firmengeschichte in Singapur für 500 Millionen Euro eine Fabrik zur Herstellung der Futtermittelaminosäure Methionin gebaut - sie hilft bei der Produktion von hochwertigem Tierfutter im boomenden Asien, nimmt aber den europäischen Werken keine Arbeit weg.

Drittens fordert die Branche eine weitere Förderung von naturwissenschaftlich orientierter Ausbildung und Bildung in NRW und in ganz Deutschland. Sie lobt dabei allerdings renommierte Institute wie das Max-Planck-Institut für Kohleforschung in Mülheim an der Ruhr oder das Chemiedepartment an der Universität Köln als bereits jetzt hervorragende Kaderschmieden für den Nachwuchs.

Viertens setzt die Branche immer stärker auf Spezialangebote für wichtige Abnehmer wie die Autoindustrie, die Baustoffhersteller oder auch die Lebensmittelbranche. Bei einfacher Massenware ist es dagegen immer schwerer, gegen die Discounter aus Asien und teilweise den USA standzuhalten.

Bei Henkel bedeutet dies zum einen, die Klebstoffsparte weiter auszubauen, um sich mit Speziallösungen für die Bauindustrie oder auch Apple und Samsung von den Wettbewerbern abzuheben. Gleichzeitig setzt der Konzern grundsätzlich auf Innovationen: Der Umsatzanteil von Produkten, die erst in den vergangenen drei Jahren eingeführt wurden, liegt bei der Waschmittelsparte und beim Schönheitsgeschäft bei mehr als 45 Prozent. Und als weiteren Schritt passt der Konzern die Produkte wie Haarshampoo oder Waschmittel immer stärker an die jeweiligen regionalen Märkte an. Evonik wiederum setzt fast nur noch auf Spezialchemie - das bringt eine sensationelle Kapitalrendite von fast 20 Prozent.

Dabei geht es der Branche insgesamt nicht schlecht: Bis 2030 rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos in seiner Studie zur Zukunft von NRW jedes Jahr mit einem Plus von 1,5 Prozent in der Wertschöpfung. Deutlich mehr Jobs bringt das allerdings nicht, weil die Produktivität weiter stark wächst.

Die Gewichte verschieben sich: Wurden im Jahr 2011 noch 52 Prozent der von der Chemieindustrie hergestellten Güter für das Ausland produziert, werden es 2030 wohl 60 Prozent sein. Der Hauptgrund: Der Anteil von einfacher Basischemie sinkt in NRW von 37 Prozent des Umsatzes auf nur noch 34 Prozent.

Die weltweit begehrte Spezialchemie macht dagegen 2030 statt 43 Prozent fast 47 Prozent des Angebots aus - hinzu kommt die ebenfalls exportlastige und spezialisierte Pharmaindustrie, teilweise als Ableger der Chemie.

(RP)
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