Leverkusen Bayer verliert eine Milliarde wegen Covestro

Leverkusen · Der Chemiekonzern kommt später und billiger an die Börse. Auch Schaefflers Pläne wackeln. Scout 24 gelingt dagegen der Börsengang.

Eigentlich wollte Covestro-Chef Patrick Thomas heute im Frankfurter Börsensaal die Glocke läuten, mit der man das Gelingen eines Börsengang anzeigt. Doch daraus wird nichts. Zu den Preisen, die der Covestro-Mutterkonzern Bayer vor zwei Wochen aufgerufen hatte, wollten kaum Investoren einsteigen. Das Orderbuch blieb bis Mittwoch enttäuschend leer. Die Nacht über berieten Investmentbanker die Lage, gestern Morgen zogen die Vorstände die Notbremse: Bayer und Covestro verschoben den Börsengang und senkten die Preisspanne.

Das trübte die Stimmung an der Börse: Die auf der Plattform Tradegate bereits handelbaren Covestro-Aktien brachen um 20 Prozent ein. Die Bayer-Aktie gab um rund zwei Prozent nach.

Statt heute soll Covestro nun am Dienstag erstmals gehandelt werden,die Zeichnungsfrist verlängert sich. Vor allem wird die Aktie billiger: Ursprünglich sollten sie für einen Preis zwischen 26,50 bis 35,50 Euro an den Markt gehen. Nun ist sie zwischen 21,50 und 24,50 Euro zu haben. Dank des kräftigen Preisrabatts soll sich das Orderbuch inzwischen gefüllt haben.

Mit den Preisen sinkt auch der Emissionserlös: Statt 2,5 Milliarden Euro wird Covestro für die Ausgabe neuer Aktien nur 1,5 Milliarden Euro von den Anlegern erhalten. Da Bayer seiner Tochter aber weiterhin Schulden (inklusive Pensionsrückstellungen) in Höhe von rund vier Milliarden Euro mitgeben will, muss der Mutterkonzern nun mehr Kapital spendieren als geplant, damit Covestro seine gute Bonitätsnote behält. "Man möchte schließlich ein Investment Grade-Rating erhalten", sagt Benhard Weininger, Analyst von Independent Research. Unternehmen, die eine Bonitätsnote der Klasse "Investment Grade" haben, müssen deutlich weniger Zinsen für ihre Kredite bezahlen als andere.

Mit der Preissenkung sinkt auch der Streubesitz. Hatte Bayer zunächst geplant, 35 bis 40 Prozent der Covestro-Aktien unter das Anlegervolk zu bringen, werden es jetzt nur noch 30 bis 33 Prozent. Entsprechend höher fällt der Anteil aus, den Bayer behalten muss. Zugleich wird nichts aus dem Eintrag ins Wirtschaftsgeschichtsbuch: Wäre alles nach Plan gelaufen, wäre Covestro der größte Börsengang seit Anfang des Jahrtausends geworden.

"Die Situation bei Bayer ist aber solide, so dass dies kein riesiges Problem darstellt", sagt Analyst Weininger. Bayer-Chef Marijn Dekkers will den Konzern rasch allein auf Life- Science-Geschäfte (Pharma, Gesundheit, Pflanzenschutz) konzentrieren. Da will er sich nicht aufhalten lassen.

Ursache für den verstolperten Start ist der Volkswagen-Skandal. Kaum hatten Patrick Thomas und sein Finanzchef Frank Lutz die Roadshow begonnen, um bei Anlegern in New York, London und Frankfurt für die Covestro-Aktie zu werben, platzte die Bombe in Wolfsburg. Seither sind Anlegern alle Unternehmen verdächtig, die mit Autos und Autozulieferung zutun haben. So wie Covestro - die Leverkusener stellen Vorprodukte für Autopolster, Lacke und diverse Kunststoffe her.

Entsprechend große Schwierigkeiten erwarten auch das Familienunternehmen Schaeffler, das Großaktionär bei Conti ist. Eigentlich wollen die Franken am Montag an die Börse gehen will. Doch vieles deutet darauf hin, dass auch daraus nichts wird. So haben die Schaefflers noch immer nicht die Preisspanne genannt, zu der sie die Aktie ausgeben wollen. Auch dieser Börsengang könnte verschoben werden und kleiner ausfallen.

Während bei den autokonjunktur-abhängigen Unternehmen Trübsal herrscht, läuft es bei den digitalen Unternehmen rund. Den Eigentümern des Kleinanzeigen-Portals Scout 24 gelang es gestern, Millionen Aktien zu 30 Euro an die Börse zu bringen, was ihnen einen Gesamterlös von gut 1,15 Milliarden Euro beschert. Zu den Altaktionären gehören die Finanzinvestoren Blackstone, Hellman & Friedman sowie die Deutsche Telekom.

(anh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort