Düsseldorf Bei Air Berlin droht Abbau von 1000 Jobs

Düsseldorf · Nach dem jüngsten Zahlendesaster muss der Konzern weiter sparen. Warum die Air-Berlin-Krise die Flughafen-Politik der NRW-Grünen lähmt - und was Investor Lars Windhorst damit zu tun hat.

An katastrophale Geschäftszahlen von Air Berlin ist das Publikum seit acht Jahren gewöhnt. Als Konzernchef Stefan Pichler vor zwei Wochen die neuen Halbjahreszahlen präsentierte, wunderte man sich deshalb weniger über die neuerlichen Hiobsbotschaften (247 Millionen Euro Verlust, Eigenkapital 575 Millionen Euro im Minus). Die Verwunderung galt eher den ausbleibenden Konsequenzen. Aber jetzt berichtet die "Wirtschaftswoche", dass Air Berlin 1000 der konzernweit 9000 Stellen abbauen will. Das Dementi des Konzerns klingt eher wie eine Bestätigung: "Über einen eventuellen Jobabbau gibt es noch keine Entscheidung", hieß es gestern in der Berliner Zentrale, "aber klar ist, dass jeder Bereich beim Sparen helfen muss."

Fakt ist: In seinem Kampf um das Überleben des Konzerns ist Pichler, der seit Jahresanfang im Amt ist, noch keinen Schritt weiter. Im Interview mit unserer Redaktion kündigte er schon im Mai einen Konzernumbau an. Gestern verrieten Insider aus der Konzernzentrale aber, der Aufsichtsrat werde erst im Herbst darüber abstimmen. Im Raum steht Pichlers Ankündigung von der Ausgliederung großer Geschäftsteile: "Alles, was nicht zum Kerngeschäft gehört, müssen wir hinterfragen. Wir werden mehr Dienstleistungen von außen einkaufen."

In dieser Woche sickerte durch, dass das Bord-Magazin, in dem Air-Berlin-Gründer Joachim Hunold zu seinen besten Zeiten die Passagiere noch mit erfrischend unbequemen Kommentaren unterhielt, inzwischen auf eigenes Risiko vom britischen Verlag Ink geliefert wird. Als sicher gilt, dass Pichler auch Teile der Wartung und der Verwaltung ausgliedert und weitere Strecken stilllegt. Damit droht Air Berlin ein Streikdesaster, wie es auch die Lufthansa wegen ihres Konzernumbaus seit rund zwei Jahren heimsucht. Allerdings haben die Air-Berlin-Mitarbeiter weniger zu verlieren.

Völlig unklar ist, von welchem Geld Air Berlin die Anleihe im Wert von knapp 200 Millionen Euro zurückzahlen will, die im November fällig wird. Laut Pichler ist die Finanzierung des Konzerns für das laufende Jahr gesichert. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ohne die ständig neuen Geldspritzen ihres arabischen Großaktionärs Etihad wäre Air Berlin wohl schon pleite.

Einem Bericht des "Manager Magazins" zufolge bereitet das Londoner Emissionshaus "Anoa Capital" gerade eine neue Sammelanleihe im Wert von 250 Millionen Euro für Etihad-Beteiligungen vor. Das frische Geld soll wohl vor allem an Air Berlin fließen, aber mit der Staats-airline Etihad als offiziellem Schuldner sind die Zinsen günstiger. Die Lösung wäre nicht ohne Ironie: "Anoa" ist Schwestergesellschaft der Investmentgruppe "Sapinda", die der von Ex-Kanzler Helmut Kohl früher als Vorzeige-Jung-Unternehmer gehätschelte Lars Windhorst führt. Windhorst war vor einigen Jahren auch schon einmal kurzzeitig Air-Berlin-Großaktionär.

Die prekäre Lage bei Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft, die zusammen mit der Lufthansa auch wichtigster Kunde am Flughafen Düsseldorf ist, strahlt bis in die NRW-Landespolitik. Der Düsseldorfer Flughafen hat bei NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) bekanntlich mehr Fluggenehmigungen beantragt. Groschek gilt als Befürworter des zusätzlichen Flugverkehrs. Aber die SPD regiert in NRW mit den Grünen, und die haben sich dem Lärmschutz der Anwohner verschrieben. Seit Monaten rätseln die Flughafen-Anwohner, warum die Grünen ihre Position in der Düsseldorfer Flughafen-Frage nicht deutlicher gegen Minister Groschek artikulieren. Ein führender Landes-Grüner sagte dazu zuletzt beim Sommerempfang der Landtagsfraktion: "Wir warten erstmal ab, was nach dem Umbau noch von Air Berlin übrig bleibt. Vielleicht erledigt sich das Problem in Düsseldorf ja dann von alleine."

(RP)
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