"Bei DB Regio NRW fallen bis zu 1200 Jobs weg"

Das Samstags-Interview mit Andree Bach (51), Chef von DB Regio NRW.

Düsseldorf Seit 1. März ist Andree Bach neuer Chef der Bahn-Tochter DB Regio NRW. Kein einfacher Zeitpunkt, um loszulegen: Erst war die Stadt Wuppertal zwei Wochen lang wegen Bauarbeiten abgeschnitten, dann entgleiste ein ICE am Dortmunder Hauptbahnhof.

Herr Bach, so richtig rund läuft es ja nicht zu Ihrem Einstieg.

Bach Ich kenne den Frust der Kunden sehr gut, weil ich selbst täglich mit der Bahn aus dem nördlichen Ruhrgebiet zur Arbeit nach Düsseldorf pendle. Störungen wie aktuell durch die Entgleisung in Dortmund sind für uns und unsere Fahrgäste natürlich ärgerlich. Zu solch unvorhersehbaren Ereignissen gesellt sich dann noch das Abarbeiten des Investitionsstaus der vergangenen Jahre. All dies macht sich in einem ohnehin schon bis an die Grenzen ausgelastetem Netz schnell bemerkbar. Aber wenn es rollt, dann ist die Bahn das beste Verkehrsmittel überhaupt.

Was können Sie uns zu den Hintergründen von Dortmund sagen?

Bach Zur Schadensursache kann man noch keine Angaben machen. Die Deutsche Bahn unterstützt die ermittelnden Behörden mit allen Kräften. Durch die Entgleisung sind sechs Weichen so stark beschädigt worden, dass diese erneuert werden müssen. Da es sich um Einzelanfertigungen handelt, wird dies mindestens zwei Wochen dauern, bis unsere Kollegen der DB Netz AG den Schaden behoben haben.

Wie stark ist der Regionalverkehr von der Entgleisung betroffen?

Bach Wir haben im Lauf der Woche bis auf drei alle Gleise wieder freibekommen, so dass aktuell nur noch der Regionalverkehr von Duisburg in Richtung Dortmund umgeleitet werden muss und die S 2 schon in Dortmund-Dorstfeld endet beziehungsweise beginnt. Wir bitten unsere Kunden hier um Verständnis.

Wie haben die Kunden auf die Störungen in Wuppertal reagiert?

Bach Ersatzverkehre bringen immer Einschränkungen gegenüber regulären Zugfahrten mit sich. Viele Kunden haben uns deshalb natürlich die Hölle heiß gemacht. Wichtig ist in solchen Fällen eine gute Informationspolitik, von Aushängen über Durchsagen bis hin zu Apps wie dem Streckenagenten. Unsere Leute haben da einen klasse Job gemacht. Wir haben schon ab Februar informiert und extra eine Broschüre mit Details zu den Änderungen erstellt. Gemeinsam mit dem VRR schauen wir nun, wie wir noch besser werden können - etwa indem wir bei den Wuppertaler Baumaßnahmen in den Sommerferien gezielt die Abo-Kunden anschreiben. Wir starten auch früher mit Aushängen und holen weiterhin die anderen Nahverkehrsunternehmen mit ins Boot.

Ihr Marktanteil beim Schienenverkehr in NRW rutscht Richtung 40 Prozent - weit unter den Bundesdurchschnitt von 70 Prozent.

Bach In NRW wurden in den vergangenen Jahren auf einen Schlag viele Leistungen in einem verkehrsreichen Ballungsraum ausgeschrieben. Das hat Wettbewerber angelockt, schließlich ist NRW ein lukrativer Markt. Da unter dem Strich unsere Kosten höher liegen als bei vielen unserer Wettbewerber, gingen Aufträge verloren. Wenn voraussichtlich 2018 die Ausschreibung des Kölner S-Bahn-Netzes entschieden sein wird, sind alle Verkehrsleistungen in NRW für die kommenden 15 bis 20 Jahre verteilt. Diese Atempause wollen wir dazu nutzen, wieder aufzustehen und anzugreifen. Um das ganz klar zu sagen: Ich bin nicht als Abwickler von DB Regio NRW gekommen. Wir kämpfen um jeden Auftrag, ich will, dass wir perspektivisch wieder große Ausschreibungen gewinnen.

Wie wollen Sie wieder konkurrenzfähiger werden?

Bach Wir setzen auf Qualität und Service, aber auch auf innovative Produkte. Daneben müssen wir natürlich auch unsere Personalstruktur an die Aufträge anpassen. Für 70 Millionen Zugkilometer pro Jahr beschäftigen wir derzeit fast 4000 Mitarbeiter. Da DB Regio NRW perspektivisch ein Drittel dieser Leistungen verliert, ist das ein einfacher Dreisatz: Wir werden künftig wohl 1000 bis 1200 Mitarbeiter weniger beschäftigen können. Das bedeutet einen harten Einschnitt für alle Bereiche bei DB Regio NRW.

Aber die Mitarbeiter haben eine Beschäftigungsgarantie.

Bach Die Betroffenen haben zwei Möglichkeiten: Entweder sie können im Konzern bleiben - das garantieren wir, allerdings nicht immer am gleichen Ort oder in NRW - oder sie wechseln zu den Wettbewerbern, die künftig unsere jetzigen Leistungen erbringen werden.

Diskutiert werden auch Gesellschaften, in denen nicht nach Konzerntarifvertrag gezahlt wird.

Bach Um Aufträge zurückzugewinnen, planen wir auch, mit Mobilitätsgesellschaften anzutreten, die deutlich schlanker aufgestellt sind. Klar ist, dass wir auch dort bislang nach Regio-Tarifen kalkulieren. Wir wollen den Wettbewerb über Personalkosten beenden und streben daher ein einheitliches Tarifniveau an.

Was halten Sie von der Idee eines NRW-weit gültigen Tickets zum Jahrespreis von 730 Euro?

Bach Nahverkehr ist ein Zuschussgeschäft, das sich nicht nur über Fahrpreise trägt. Da muss man genau schauen, ob und wie sich so etwas rechnet. Klar ist aber: Wir benötigen neue, schlankere Preismodelle. Es muss Schluss sein mit dem Tarifwirrwarr. Die Aufgabenträger in NRW arbeiten daran, den Zugang zum System Nahverkehr weiter zu vereinfachen. Denkbar wäre etwa ein System, bei dem man mit seinem Smartphone nur noch in den Zug steigt und automatisch das günstigste Ticket gezogen wird.

Das kommt bis wann?

Bach Das ist eine Frage, die die Nahverkehrsbranche insgesamt beantworten muss. Schließlich müssten alle Nahverkehrszüge und Busse mit einem entsprechenden System ausgestattet werden, das dazu noch hohen Datensicherheitsanforderungen entspricht. Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, halte ich eine NRW-weite Pilotphase ab 2020 für realistisch.

Beim Thema W-Lan in allen Zügen schwächeln Sie noch etwas.

Bach Das kann man so nicht sagen. Denn wir haben gerade gemeinsam mit den zuständigen Aufgabenträgern ein Pilotprojekt auf der RE 42 auf den Weg gebracht. Hier setzen wir die gleiche Technik wie im ICE ein und wollen erste Erfahrungen mit der von der DB entwickelten Technik im Nahverkehr sammeln. Eine besondere Herausforderung ist es, ein stabiles System bei unregelmäßiger Netzabdeckung zu gewährleisten. Versuchen Sie mal im tiefsten Sauerland bei einer Autofahrt zu telefonieren. Da bekommen Sie auch kein Netz. Hier sind die Telekommunikationsunternehmen gefragt, mit denen wir gemeinsam nach Lösungen suchen, um Funklöcher im Nahverkehr zu eliminieren.

Sie haben sich bislang intensiv um das Busgeschäft der Bahn in NRW gekümmert. Wollen Sie mit der "Gummi-Bahn" Umsatz zurückgewinnen?

Bach Meines Erachtens ist im Regional- und Stadtbusgeschäft noch Potenzial. Dort wollen wir wachsen. Und wir müssen in ländlichen Regionen mit "weißen Flecken" stärker mit Partnern zusammenarbeiten. Mit Apps wie Qixxit bekommen Sie schon heute zuverlässige Mitfahrgelegenheiten, deren Fahrer nach vorgegebenen Standards ausgewiesen sind. Das DB Logo wirkt da vertrauensbildend. Sie würden Ihre Kinder ja auch nicht jedem x-beliebigen Autofahrer mitgeben.

MICHAEL BRÖCKER UND MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(RP)
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