Thomas Böhle "Beim Erzieher-Lohn gibt es keine Luft nach oben"

Der Präsident der kommunalen Arbeitgeber warnt die Gewerkschaft vor neuen Arbeitskämpfen, will aber kein neues Angebot machen.

München Der Münchener Personaldezernent Thomas Böhle ist gerade auf dem Sprung. Sein Ziel: das hessische Offenbach. Dort will Böhle, der zugleich Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ist, heute die Gewerkschaften davon überzeugen, den Kita-Streik abzuwenden.

Verdi hat den Schlichterspruch abgelehnt. Lohnt es da überhaupt noch, zu verhandeln?

Böhle Es gab die Absprache, dass wir uns am 13. August in Offenbach treffen. Dann machen wir das auch.

Verhandlungen machen nur Sinn, wenn Sie bereit sind, draufzusatteln.

Böhle Wir halten - anders als die Gewerkschaften - nichts davon, Erwartungen zu wecken, die nicht erfüllbar sind. Es gibt keine Luft mehr nach oben. Mit dem Schlichterspruch ist die Schmerzgrenze erreicht.

Verdi-Chef Bsirske hat vorgerechnet, würde seine Forderung eins zu eins umgesetzt, wäre das bezogen auf den gesamten Personaletat eine Erhöhung um nur ein Prozent.

Böhle Das ist eine Milchbubenrechnung. Wir haben das für München einmal kalkuliert und kommen mit den höheren Zuschüssen für die freien Träger auf eine Belastung von bis zu fünf Prozent. Das würde die Kommunen überfordern.

Es gibt aber andere Stellschrauben in den Verhandlungen. Wieso benötigen Sie die lange Laufzeit bis 2020?

Böhle Ganz einfach: Planungssicherheit. Eine Veränderung der Tabellenstruktur benötigt eine gewisse Zeit, um Erfahrungen zu sammeln. Wir können nicht in zwei Jahren schon wieder über neue Strukturen reden. Zudem kommt Anfang nächsten Jahres noch die normale Tarifrunde dazu.

Es gibt Kritik daran, dass die Sozialarbeiter größtenteils nicht profitieren. War das der bewusste Versuch, die Berufsgruppen zu spalten?

Böhle Wir haben kein Interesse daran, einen Keil zwischen die Berufsgruppen zu treiben. Zudem ist es Gewerkschaftspropaganda, dass die Sozialarbeiter nicht profitieren. Wir haben uns 2009 auf deutliche Verbesserungen für die obere Gehaltsgruppe bei den Sozialarbeitern verständigt. Dafür haben die Gewerkschaften Einschnitte bei Neueinstellungen in den unteren Gruppen akzeptiert. Diese Schlechterstellung wird nun behoben.

Warum sollte eine Erzieherin, die zuvor bei einem privaten Träger gearbeitet hat, nicht beim Wechsel zu einer städtischen Einrichtung höher eingruppiert werden?

Böhle Städte können schon heute diese Berufserfahrung honorieren. Wir wollen aber keinen Automatismus. Eine Stadt wie Düsseldorf kann die höheren Löhne besser schultern als etwa Gelsenkirchen.

Verdi verlangt Nachbesserungen in den unteren Einkommensgruppen der Erzieher. Wieso sollen diese ausgenommen werden?

Böhle Die Gewerkschaften waren in der Vergangenheit immer darauf bedacht, dass lange Berufserfahrung auch besser honoriert wird. Wenn sie sich von dieser Stoßrichtung verabschieden wollen, ist das ihr gutes Recht. Dabei dürfen wir aber nicht die Kosten aus den Augen verlieren. Wir haben in der Schlichtung mühsam einen tragfähigen Kompromiss ausgehandelt. Dem haben auch die Gewerkschaftsfunktionäre zugestimmt.

Die Basis hat den Schlichterspruch aber abgelehnt. Was waren Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Böhle Die Gewerkschaftsführung war nicht in der Lage, das Ergebnis ordentlich zu kommunizieren. Zudem liefen Info-Veranstaltungen, bei denen abgestimmt wurde, unter dem Titel "Fortsetzung der Streiks - wie wir die Arbeitgeber in die Knie zwingen". Da darf man sich nicht über das Ergebnis wundern.

Sind die Schlichter durch das Vorgehen beschädigt?

Böhle Nein. Die haben einen sehr guten Job gemacht. Das ganze fällt Verdi auf die Füße.

Verdi verabschiedet sich vom Flächenstreik. Haben Sie erfolgreich die Arbeitskämpfe ausgesessen?

Böhle Es ging nie darum, etwas auszusitzen. Es geht um die Verantwortung für die kommunalen Finanzen.

Verdi-Chef Frank Bsirske droht Ihnen für den Herbst mit "unkonventionellen Streikmethoden". Lassen Sie mich raten: Sie zittern schon?

Böhle Ich hätte mich gefreut, wenn es stattdessen etwas weniger konventionell in den Verhandlungen aufgetreten wäre. Dann hätten wir womöglich schon früher ein Ergebnis erzielt.

Was erwarten Sie an der Streikfront konkret?

Böhle Das kann ich nicht abschätzen. Ich kann nur dazu raten, sich das Vorgehen genau zu überlegen. Ich habe nicht den Eindruck, dass Verdi noch viele Sympathien hat.

Die Gewerkschaft selbst hat erklärt, die Bevölkerung hätte Verständnis für die Anliegen. Tatsächlich haben einige Eltern in der Hauptphase des Streiks die Rathäuser gestürmt, um ihre Kinder abzugeben. Wie kommen Sie mit der Buhmann-Rolle klar?

Böhle Nicht wir rufen zu Streiks auf, sondern die Gewerkschaften. Außerdem erlebe ich in Gesprächen mit Eltern, dass die bass erstaunt sind, wenn sie erfahren, wie die Erzieher schon heute bezahlt werden - statt wie vielfach angenommen 1500 Euro brutto bekommt eine Berufsanfängerin mit 21 Jahren schon knapp 2600 Euro und kann nach dem Schlichterspruch auf ein Einkommen von bis zu 3800 Euro kommen. In Leitungsfunktion geht es sogar bis zu 5200 Euro. Wenn man das transparent macht, werden viele Eltern nachdenklich.

Bsirske hat erklärt, Ihre ablehnende Haltung hänge damit zusammen, dass Sie ähnliche Verhandlungen in anderen Berufsfeldern befürchten. Klingt plausibel.

Böhle Das Tarifgefüge darf nicht durcheinandergeraten. Das setzt gewissen Begehrlichkeiten Grenzen. Daraus zu konstruieren, dass wir primär aus Angst vor Übersprungeffekten handeln, ist falsch.

Das alles klingt danach, als würde das in Offenbach eine kurze Veranstaltung. Werden Sie bei geplatzten Gesprächen weiter mit Verdi reden?

Böhle Wir waren, sind und bleiben gesprächsbereit. Es hat aber keinen Sinn, Erwartungen zu wecken, die wir in Anbetracht der Haushaltslage nicht erfüllen können.

MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(maxi)
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