Haltbarkeits-Label Berge von Elektroschrott

Berlin · Jedes Jahr nimmt die Menge weggeworfener Elektrogeräte in Deutschland zu. Knapp zwei Millionen Tonnen landeten zuletzt auf den Deponien. Die Grünen halten der Bundesregierung zu lasche Gegenmaßnahmen vor.

 Knapp zwei Millionen Tonnen landeten zuletzt auf den Deponien.

Knapp zwei Millionen Tonnen landeten zuletzt auf den Deponien.

Foto: dpa

Bis 2020 wird es Prognosen zufolge knapp drei Milliarden Smartphone-Nutzer auf der Welt geben. Die Anzahl der Mobiltelefone wächst seit Jahren in schwindelerregendem Tempo. Und auch die Verbreitung anderer technischer Geräte nimmt drastisch zu. Im Umkehrschluss bedeutet das immer mehr Elektroschrott: Nach Angaben der Vereinten Nationen fielen allein 2014 insgesamt 42 Millionen Tonnen weltweit an, knapp zwei Millionen Tonnen davon in Deutschland.

Was kann getan werden? Welche Möglichkeiten hat der Staat, dagegen vorzugehen, dass technische Geräte scheinbar auch immer früher ausfallen? Frankreich hat jüngst einen neuen Straftatbestand eingeführt, um Hersteller zu bestrafen, die mit technischen Tricks Geräte frühzeitig verschleißen lassen.

In Deutschland zeichnet sich eine solche Maßnahme jedoch nicht ab. Die Grünen-Bundestagsfraktion hat der Bundesregierung kürzlich einen Fragenkatalog geschickt, um die Maßnahmen der großen Koalition etwa gegen zu frühen Verschleiß abzuklopfen.

Die Antworten des zuständigen Bundesumweltministeriums liegen unserer Redaktion nun vor. Demnach unterstützt die Bundesregierung grundsätzlich "die Herstellung und Kennzeichnung von Elektrogeräten mit einer langen Haltbarkeit" und solchen, die sich leicht reparieren und gut recyceln lassen. Also ein Label für besonders umweltschonende und verbraucherfreundliche Produkte?

So in etwa, jedoch führt das der Parlamentarische Staatssekretär Florian Pronold (SPD) in seinem Schreiben an die Grünen nicht genauer aus. Laut Umweltressort müssten in jedem Einzelfall Anforderungen für Produkte wie Telefone, Toaster oder Fernseher definiert werden, die "technisch machbar, ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar sind". Auch überprüfbar müssten sie sein.

Doch da wird es für den einzelnen Nationalstaat in der EU kompliziert bis unmöglich, allein vorzupreschen. Der europäische Binnenmarkt mit einer Vielzahl an Vorschriften setzt dafür enge Leitplanken. Und so heißt es in der Antwort der Bundesregierung nur allgemein: "Um Ressourcen und Energie effektiv zu nutzen, sollten Produkte nicht vor Erreichen ihrer technisch möglichen Lebensdauer ausfallen."

Neue Regeln müssten auf EU-Ebene erlassen werden. Die EU-Kommission, so ist die Antwort des Bundesumweltministeriums zu interpretieren, sei bereits dabei, Verbesserungsmöglichkeiten zu untersuchen. Daher habe man in Deutschland noch keine Gesetze angepasst.

Gleichwohl stellt das Ressort von Ministerin Barbara Hendricks (SPD) den "Blauen Engel" als bereits vorhandenes Label für langlebige und reparaturfreundliche Produkte heraus. Daran könnten Verbraucher solche Produkte bereits erkennen. Auch der sogenannte "Bundespreis Ecodesign" stelle erhöhte Anforderungen etwa an Elektrogeräte, wobei auch Geschäftskonzepte oder Dienstleistungen damit ausgezeichnet werden können.

Darüber hinaus hält die Bundesregierung die Einführung eines Mindesthaltbarkeitsdatums (Herstellergarantieaussagepflicht) für Elektrogeräte für ein "geeignetes Instrument". Das Umweltressort erkennt an, dass Initiativen zum Teilen von Dingen dazu beitragen können, dass natürliche Ressourcen weniger in Anspruch genommen werden müssen. Und man habe seit 2013 ein Abfallvermeidungsprogramm mit den Ländern aufgelegt, in dem "Reparaturnetzwerke" durch Länder und Gemeinden empfohlen werden. Wie diese konkret aussehen und arbeiten sollen, geht aus dem Schreiben nicht hervor.

Erkenntnisse darüber, welche Elektrogeräte aus welchen Gründen frühzeitig verschleißen, hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben nicht. Derzeit soll das aber ein Forschungsvorhaben im Auftrag der EU-Kommission herausfinden, heißt es.

RP-Redakteure zeigen ihre alten Handys
5 Bilder

RP-Redakteure zeigen ihre alten Handys

5 Bilder
Foto: Seybert, Gerhard

Für die Grünen ist das längst nicht genug. Nicole Maisch, Sprecherin für Verbraucherpolitik, sagte dazu: "Es ist ein Armutszeugnis, dass die Bundesregierung außer Prüfaufträgen nichts zu bieten hat." Dass Produkte viel zu früh kaputt gingen, sei beileibe keine neue Erkenntnis. Damit müsse Schluss sein. Maisch setzt sich dafür ein, dass es ein Label für haltbare Geräte gibt. Auch der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Klaus Müller, unterstützt das. "Langlebigkeit muss einfach und klar gekennzeichnet werden", sagt Müller.

Maisch beklagt zudem: "Es ist absurd, wenn einfache Reparaturen teurer sind als eine Neuanschaffung." Deshalb fordere sie einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz bei der Reparatur bestimmter Produkte. Die Bundesregierung hält das jedoch für nicht vereinbar mit EU-Recht.

(jd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort