Weltfrauentag am 8. März Allein unter Männern

Düsseldorf · Der Weltfrauentag ist immer auch Anlass, auf den Stand der Gleichberechtigung zu schauen. Unsere Redakteurin Hanna Koch hat genau das getan – mit einem kritischen Blick.

 Hanna Koch (29) arbeitet in der Lokalredaktion Neuss.

Hanna Koch (29) arbeitet in der Lokalredaktion Neuss.

Foto: Andreas Endermann

Der Weltfrauentag ist immer auch Anlass, auf den Stand der Gleichberechtigung zu schauen. Unsere Redakteurin Hanna Koch hat genau das getan — mit einem kritischen Blick.

Journalismus, das ist schon lange kein Männerberuf mehr, auch bei der bürgerlichen Rheinischen Post nicht. Die Mehrheit der Berufseinsteiger ist weiblich — und oft besser qualifiziert als die männlichen Bewerber. Sagt die Chefredaktion. Es gibt eine Reihe von weiblichen Führungskräften, mehrere Redaktionsleiterinnen im Lokalen, auch die überregionalen Ressorts Wirtschaft und Kultur werden von Frauen geführt. In der Lokalredaktion Neuss, in der ich tätig bin, sind die Redakteurinnen sogar in der Mehrheit. An der Macht sind sie damit aber noch lange nicht.

Denn die meisten Chefposten unseres Hauses sind (noch) mit Männern besetzt. Wer einmal zu Gast in einer Redaktionskonferenz der Rheinischen Post war, wird verstehen, dass Frauen sich dort manchmal einsam fühlen: Es gibt einen Chefredakteur, seinen Stellvertreter, mehrere Chefs vom Dienst — alles Männer, die stolz auf ihre Posten sind. Manchmal scheint es, dass diejenigen die Diskussion gewinnen, die am lautesten auftreten. Die wenigen Frauen in der Runde verdrehen da schon mal die Augen.

Männerrunden und Pavian-Felsen

Als Frau lernt man schnell: Männer bestärken sich gern gegenseitig, deshalb fällt ihnen nur allzu selten ihr eigenes Verhalten auf. So hieß es vor zwei Jahren in einem Artikel der Rheinischen Post über Angela Merkel, sie habe das Verhalten männlicher Führungskräfte mit dem Gebaren auf einem Pavian-Felsen verglichen. Die Frage, die sich nicht nur am Weltfrauentag stellt, ist: Müssen die Frauen mit auf diesen Felsen steigen, den es in vielen Unternehmen gibt?

Ich selbst gehöre mit meinen knapp 30 Jahren zu den Nutznießerinnen der Frauenbewegung. Ich habe Abitur und Studium mit Bestnoten abgeschlossen — auch aufgrund des Drucks meiner Eltern: Meine Mutter hatte in ihrer Kindheit nicht aufs Gymnasium gehen dürfen. Nach dem Realschul-Abschluss stellten ihre Eltern sie vor der Wahl, Friseurin oder Verkäuferin zu werden. Ein Trauma war das, ist es noch heute für sie, dieses Gefühl, so wenig wertgeschätzt worden zu sein. Das wollte sie bei mir, ihrer ältesten Tochter, unbedingt verhindern.

Die Geschichte ihres Scheiterns, immer wieder erzählt, ist ein Grund für meinen Ehrgeiz, meinen Willen, es nach oben zu schaffen, Karriere zu machen und mich nicht aufhalten zu lassen. Wer so einen Willen hat, der braucht keine Frauenquote, vielleicht nicht einmal eine spezielle Förderung. Aber vor dem Felsen der Männer, da stehe ich trotzdem.

Bemerkt worden ist dieser Felsen natürlich schon vor meiner Zeit: Es gibt Ratgeber und Coachings, um Frauen zu helfen, sich in Männerdomänen zu behaupten. Sich aufrecht setzen, den Gockel zu geben wie die Männer, ist da noch die leichteste Übung. Frauen tendieren dazu, durch Fleiß überzeugen zu wollen. Sie sind nicht laut, prahlen nicht mit ihren Erfolgen, sondern gehen davon aus, dass der Vorgesetzte ihre Leistungen schon wertschätzen wird. "Warum sieht er nicht, wie sehr ich mich krumm mache?" — diese Frage habe ich von Freundinnen oft gehört.

Mehr Fleiß führt oft zu mehr Frust

Die Angst, beim Selbstlob gleich als Angeber dazustehen — das fühlen Frauen viel stärker als Männer. Und es ist fraglich, wie sehr sie sich verbiegen können, um mitzuhalten mit dem lauteren, vermeintlich stärkeren anderen Geschlecht. Der scheinbare Lösungsweg, den viele Frauen wählen, ist noch mehr Fleiß, der — weil er selten wertgeschätzt wird — zu noch mehr Frust führt.

Der Chef erfährt davon erst dann, wenn die Kündigung ins Haus steht. Denn da sind Frauen konsequent: Sie ziehen den Schlussstrich, statt das System zu ändern. Sie sind gegen den Felsen gerannt. Und so lange es einen Weg um ihn herum gibt, wird niemand sie dazu bringen, ihn erklimmen zu wollen.

Denn gerade heute, da Frauen hochqualifiziert sind, stehen ihnen viele Möglichkeiten offen. Und so tun Frauen etwas, was Männer nie tun würden: Sie tauschen ihre schwierige, aber prestigeträchtige Stelle mit einer, die vielleicht nicht so gut bezahlt wird, aber dafür mehr Zufriedenheit bringt. Frauen orientieren sich nicht immer nur nach oben. Sie schauen auch, ob es etwas weiter unten eine Alternative gibt: mit einem netteren Team etwa oder flexibleren Arbeitszeiten.

Hinzu kommt, dass viele Unternehmen bereits damit begonnen haben, ihre Felsen zu schleifen. Mit einer neuen Betriebskultur, die stärker auf die Arbeit im Team anstatt auf die Macht des Einzelnen setzt. Die Entscheider sind aufgewacht, weil sie merken, dass sie ohne diese hochqualifizierten Frauen nicht auskommen. Diese Erkenntnis, sie muss ankommen, nicht nur in den Chefetagen der Unternehmen. Aber von dort muss der Impuls kommen zu prüfen, welche Felsen uns den Weg versperren in eine Arbeitswelt, in der jeder seine Fähigkeiten zeigen kann: Die Männer mit ein bisschen Prahlerei, die Frauen mit Fleiß — oder umgekehrt.

Erst wenn wir Barrieren erkennen, können wir sie auch abbauen. Das ist längst kein Thema der Frauenbewegung mehr. Das geht uns alle an.

(RP/top/felt/csr)
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