Lexikon der Bürokrankheiten Excel-Schweiß und Floskelie

Düsseldorf · Wer sein Büro mit Kollegen teilt, der nimmt vieles wahr. Unaufhörlich klickt der Kollege mit seinem Kugelschreiber, während seine Schreibtischnachbarin kurz vor Mittag bereits den sechsten Kaffee hinunterstürzt. Pure Hektik ist die Folge. Auch die Marketing-Jungs fallen auf: Regelmäßig lassen sie stapelweise Druckerpapier mitgehen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

 So sieht das Lexikon der Bürokrankheiten aus: ein Totenkopf, gelegt aus Büroklammern.

So sieht das Lexikon der Bürokrankheiten aus: ein Totenkopf, gelegt aus Büroklammern.

Foto: Lübbe Verlag

Der Autor Raymund Krauleidis hat alle erdenklichen Büromarotten und Kollegenmacken zusammengetragen. Das Ergebnis ist das humorvolle Lexikon der "Bürokrankheiten": von der "Aktne", dem Zwang permanent Akten unter dem Arm spazieren zu tragen, bis zum "Zweckenbiss", der von spitzem Büromaterial hervorgerufenen Handverletzung. Dazwischen liegen "Kekskoma", "Vitamin-B-Mangel" oder "Kontaktallergie".

Ein Highlight ist die "Rektale Adulation" — besser bekannt als "gemeine Arschkriecherei". Die Krankheitsbeschreibung liest sich wie folgt: "Unterwürfiges Anbiedern bei hierarchisch übergeordneten Kollegen, häufig in Kombination mit der Absonderung von mukösen — also schleimigen — organischen Sekreten". Diese Chefzäpchen und Speichellecker kennt wohl jeder.

"Hübsche Kravatte, Herr Dr. Mayer!"

Der Aufbau der einzelnen Lexikonartikel folgt immer dem gleichen Muster. Auf Namen und eine einführende Beschreibung folgen die Symptome, dann ist der Krankheitsverlauf an der Reihe. Im Falle der Rektalen Adulation begleitet der Autor einen schmierigen Bürobückling durch den Tag: "Wie jeden Morgen trifft der Erkrankte 'zufällig' den Vorstandsvorsitzenden in der Tiefgarage." Als später auch noch der direkte Vorgesetzte auftaucht, wird der Infizierte richtig aufdringlich: "Einen wunderschönen guten Morgen, Herr Dr. Mayer! Hübsche Krawatte, Herr Dr. Mayer! Keks dazu, Herr Dr. Mayer?" Das empfohlene Gegenmittel der Wahl ist das Schleimmittel. Der sinnvolle Umgang: Ingorieren! Das alte Hausmittel, eine ordentliche Tracht Prügel, wird dem Leser als Handlungsempfehlung allerdings vorenthalten.

Außerdem ist jeder Eintrag mit der Rubrik "Verwandte Krankheiten" bestückt. Diese Querverweise erleichtern das Stöbern. Der Leser gelangt so von Rektalen Adulation zur "Negationsinsuffizienz", der Unfähigkeit, gegenüber Vorgesetzten das Wort "Nein" zu verwenden. Von dort geht es weiter zur "Überstundung", dem "pathologischen Verzicht auf Freiheit". Und am Ende landet man beim "Stururlaub": dem Unvermögen, den arbeitsvertraglichen festgelegten Urlaub auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen - eine Büromacke, mit der sich wohl immer mehr Menschen identifizieren können.

Gelungene Umschreibungen und verpasste Chance

Und so nähert sich Krauleidis´ Buch, das beim Verlag Bastei Lübbe erschienen ist, all diesen mehr oder weniger bekannten Bürophänomenen an. Das ist mal mehr mal weniger lustig. Die Stärke liegt vor allem in den Beschreibungen. Immer wieder schmunzelt man über die ideenreich ausgeschmückten Krankheitsbilder. Die Linderungsmöglichkeiten und Umgangsempfehlungen kommen hingegen oft kümmerlich daher. So kommt der Autor beim "Büroabsolutismus", dem Irrglaube der Vorgesetzten legitime Nachfolger Ludwigs XIV. zu sein, nicht auf das Naheliegenste: die Revolution. So verpasst er humorvolle Großchancen. Der bereits erwähnte Schleimlöser schlägt in die gleiche Kerbe.

Trotzdem eignet sich "Bürokrankheiten" als Medikament, als Gegengift. Immer wenn einem "Bereichsegoismus" und "Nachberichtitis" der Kollegen auf die Senkel gehen, schnappt man sich das Buch und verschwindet bis zum Feierabend auf Klo. Außer, die Lektüre macht einen zu einem verständnisvolleren Kollegen. Dann kann man schon früher zu "Büronostalgie" und "Excel-Schweiß" zurückkehren.

(ham)
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