Duisburg Betriebsrat stellt Thyssenkrupp-Chef infrage

Duisburg · Die Arbeitnehmervertreter der Stahlsparte verlieren die Geduld. Auf einer Betriebsräte-Konferenz mit Stahl-Chef Andreas Goss in Duisburg kochen die Emotionen hoch.

Der Ort für die Betriebsräte-Konferenz von Thyssenkrupp Steel ist mit Symbolkraft aufgeladen. Mitten in Duisburg-Rheinhausen, wo sie schon so manche Stahlschlacht ausgetragen haben, geht es an diesem Vormittag einmal mehr um die Zukunft ihres Konzerns. Am Eingang der Rheinhausenhalle werben grelle Bilder für den Auftritt von Comedian Bernd Stelter, doch nach lustigen Liedern und Sketchen ist den 250 Arbeitnehmervertretern gar nicht zumute. Sie erwarten Antworten auf die drängenden Fragen, wie weit die Fusionsgespräche mit Tata Steel gediehen sind und was mit der neuen Stahl-Sparrunde geplant ist.

Liefern soll die Stahl-Chef Andreas Goss. Knapp vier Stunden dauert die Veranstaltung hinter verschlossenen Türen. Als sich diese am frühen Nachmittag wieder öffnen und die Betriebsräte noch ein wenig auf den Gängen der in die Jahre gekommenen Halle beisammenstehen, genügt schon ein Blick in ihre Gesichter: Glücklich schaut in diesem Moment niemand drein. Ob Manager Goss denn bis zum Ende geblieben sei? Ein großgewachsener Betriebsrat nickt grimmig: "Er hätte mal wagen sollen, früher zu gehen."

Die Stimmung im Saal sei aufgeheizt gewesen, sagt später auch Gesamtbetriebsratschef Günter Back. Einige Betriebsräte hätten Schilder mit dem Konterfei des verstorbenen Firmenpatriarchen Berthold Beitz in die Höhe gehalten. Daneben stand die Frage: "Wie geht Ihr mit meinem Erbe um?"

Die Thyssenkrupp-Beschäftigten fühlen sich verschaukelt. In schwierigen Zeiten haben sie Zugeständnisse gemacht - etwa bei der Arbeitszeit. Natürlich haben sie dafür im Gegenzug auch Standortsicherung und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum Jahr 2020 bekommen. "Wir fragen uns jetzt aber, ob der Vorstand überhaupt noch vertragstreu ist", sagt Back.

Manager Goss hatte während der Veranstaltung gesagt: "Wenn unser Stahlgeschäft eine Zukunft haben soll, können wir nicht die Augen davor verschließen, dass wir unterausgelastete Anlagen haben und es massive Überkapazitäten im Markt gibt." Im Klartext heißt das: Unabhängig davon, ob es zu einer Fusion mit Tata oder einem anderen Stahlpartner kommt - die die Betriebsräte unisono für unnötig halten - muss gespart werden. Die Rede sei von einer Wertlücke in Höhe von 800 Millionen bis 1,6 Milliarden Euro. Und das, obwohl der Stahl in den vergangenen Monaten schon die Kosten um 700 Millionen Euro pro Jahr gedrückt hatte. Spartenchef Goss müsse bis Mai 2017 entsprechende Pläne vorlegen, wie die Einsparungen gelingen sollen. Diese Vorgabe habe Konzernchef Heinrich Hiesinger bei einem Treffen mit den Betriebsräten Anfang Juni bekanntgegeben, sagen sie. Auch von Standortschließungen soll dabei die Rede gewesen sein.

Doch welche genau betroffen sind wurde auch gestern nicht deutlich. Goss habe keine einzige ihrer rund 20 Fragen im Kern beantwortet, lediglich altbekannte Folien an die Wand der Rheinhausenhalle geworfen, so Back: "Der Vorstand hat die einmalige Chance vertan, uns mitzuteilen, wie seine Gedanken sind, und uns stattdessen provoziert."

Der Zorn richtet sich indes nicht gegen Goss allein. Auch Konzern-Finanzvorstand Guido Kerkhoff bekommt von den Betriebsräten sein Fett weg. Kerkhoff hatte am Vortag bei der Vorstellung der Zahlen für das dritte Geschäftsquartal gesagt: "Man muss jetzt eine Periode lang eine gewisse Unsicherheit aushalten." Menschenverachtend nennt dies Axel Ganseuer, Betriebsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Siegerland.

Und auch Konzernchef Hiesinger rückt ins Zentrum der Kritik. Dieser könne offenbar dem Druck aus dem Kapitallager nicht mehr standhalten, sagt Wilfried Stenz, Betriebsratschef von Thyssenkrupp Rasselstein in Andernach: "Steel wird zum Bauernopfer gemacht." Back wird sogar noch deutlicher: "Wenn Herrn Hiesinger nichts anderes einfällt, als dauernd den Stahl aus dem Konzern herausreden zu wollen, und er es immer im Vagen hält, ob Stahl jetzt zum Konzern gehört oder nicht, dann kann das nicht mehr unser Mann sein."

Für den 31. August haben sie zu einer Kundgebung in Duisburg aufgerufen - zeitgleich zur dortigen Aufsichtsratssitzung. Der Protest werde organisiert wie ein Warnstreik, erklärte Back. Geschätzt 10.000 Stahlarbeiter werden dann ihrer Wut Luft machen. Duisburg steht eine neue Stahlschlacht ins Haus.

(maxi)
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