Karlsruhe BGH stärkt die Verbraucher

Karlsruhe · Das Gericht entscheidet bei Energierechnungen zugunsten von Mietern und Eigentümern.

Wohnen in Deutschland ist nicht gerade preiswert. Laut Statistischem Bundesamt hat jeder Haushalt 2015 (neuere offizielle Zahlen gibt es noch nicht) mehr als 850 Euro für Wohnen, Energie und Instandhaltung ausgegeben. Davon fließen wiederum etwa 40 Prozent in Ausgaben für Energie. Wenn sich da der Energieanbieter oder Vermieter verrechnet, wird das schmerzhaft. In zwei Fällen hat jetzt der Bundesgerichtshof zugunsten der Kunden entschieden. In einem Fall bekam ein Ehepaar von einem Energieversorger eine Stromrechnung präsentiert, die zehnmal so hoch ausfiel wie die des Vorjahres. Der zweite Fall: Mieter sollten einen großen Teil der Heizkosten eines Mehrfamilienhauses alleine tragen, obwohl das von der benutzten Wohnfläche her kaum denkbar erschien. Die Details:

Fall 1 Der Oldenburger Versorger EWE hatte nach dem Ablesen des Stromzählers für die Abrechnung Zeitraum 2014/15 mehr als 9000 Euro Nachzahlung von einem Ehepaar verlangt. Das wollte den Betrag nicht zahlen, weil es einen Fehler bei der Verbrauchsermittlung vermutete. Verständlich, denn für die Nachzahlungssumme hätte der Zwei-Personen-Haushalt in einem Jahr fast 32.000 Kilowattstunden Strom verbrauchen müssen. Doch der Energieversorger blieb hart: EWE ließ den Zähler von einem Gutachter überprüfen und blieb bei der Summe. Das Unternehmen war bereits vor dem Oberlandesgericht gescheitert und verlor nun auch vor dem BGH. Tenor des Karlsruher Urteils: Zwar sind Stromkunden zunächst einmal dazu verpflichtet, offene Stromrechnungen zu bezahlen, damit die Liquidität des Anbieters gesichert ist, aber wenn "die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" besteht, hat der Kunde nach Paragraf 17 der Stromgrundversorgungsverordnung das Recht, die Zahlung zu verweigern. In solchen Fällen muss der Versorger den tatsächlichen Strombezug nachweisen, und das hatte EWE nicht getan.

Fall 2 Nur gut ein Achtel der gesamten Wohnfläche genutzt, aber angeblich fast die Hälfte der gesamten Heizenergie verbraucht - das kam einem Mieter im hessischen Heppenheim spanisch vor. Und deshalb lehnte er die von der Vermieterin für 2013 und 2014 verlangte Nachzahlung von 5000 Euro Heizkosten ab.

Die Verbrauchswerte für die 94 Quadratmeter große Wohnung machten in den beiden Jahren laut Abrechnung 42 und 47 Prozent der im gesamten Haus gemessenen Verbrauchseinheiten aus. Aber: Das Haus insgesamt hat knapp 720 Quadratmeter Wohnfläche. Die Mieter wollten die Verbrauchswerte der Nachbarn sehen, was die Vermieterin verweigerte. Zu Unrecht, wie der Bundesgerichtshof entschied. Mieter könnten bei Zweifeln an einer Heizkostenabrechnung vom Vermieter die Verbrauchswerte der Nachbarn im Haus erfragen. Die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen sei gerechtfertigt, wenn dies "zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich ist", urteilte der BGH. (Aktenzeichen: VIII ZR 189/17). Die Vorinstanzen hatten zu Lasten der Mieter entschieden, aber der Mietrechtssenat in Karlsruhe ließ keinen Zweifel daran, dass die Beweislast beim Vermieter liege. In diesem Fall sei bei der Landgerichts-Verhandlung "alles schief gegangen, was schief gehen konnte", so die Vorsitzende BGH-Richterin.

(gw)
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