Düsseldorf BGH verschärft Datenschutz

Düsseldorf · Dynamische IP-Adressen gelten jetzt als personenbezogene Daten. Das hat der Bundesgerichtshof gestern beschlossen und somit den Datenschutz gestärkt. Bei der Gefahr durch Hackerangriffe ist deren Speicherung dennoch erlaubt.

Seit 2008 beschäftigt die Klage eines Piraten-Politikers die Gerichte. Ob sein Surfverhalten auf den Seiten des Bundes protokolliert werden darf, steht immer noch nicht fest - das soll bald das Landgericht Berlin entscheiden. Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte gestern jedoch, dass Internetseiten, die von Hackerangriffen bedroht sind, zur Abwehr oder Aufklärung vorsorglich die IP-Adressen sämtlicher Nutzer speichern dürfen. Dabei dürfen die Grundrechte der Nutzer aber nicht aus dem Blick geraten. Und die wurden durch das Urteil gestärkt: Der BGH stufte die dynamische IP-Adresse als personenbezogenes Datum ein.

Wer hat geklagt? Die Entscheidung fiel in einem Rechtsstreit, den der Piraten-Politiker Patrick Breyer seit nun schon fast zehn Jahren gegen die Bundesrepublik führt. Verschiedene Bundesministerien, deren Internetseiten er besucht hatte, hatten ungefragt seine IP-Adresse gespeichert. Ob das rechtens war, steht jedoch auch nach dem gestrigen Urteil noch nicht fest, denn dafür muss erst noch geklärt werden, wie groß die Gefahr von Angriffen auf diese Seiten tatsächlich ist. Seine Unterlassungsklage hat nun allerdings nur noch eine geringe Erfolgsaussicht.

Was ist eine IP-Adresse? Die IP-Adresse ist vergleichbar mit einem digitalen Fingerabdruck. Beim Aufruf einer Internetseite wird sie vom Browser immer übertragen, damit der Datenstrom beim richtigen Gerät ankommt. Jedem internettauglichen Gerät ist eine solche Zahlenfolge zugeordnet, um Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Die häufigste Variante sind dynamische IP-Adressen, die sich in gewissen Zeitabständen - beispielsweise alle paar Tage - ändern. Das Gegenteil sind statische IP-Adressen, die sich nicht ändern. IP steht für "Internet Protocoll". Mit Hilfe dieser Adresse kann jedes Gerät identifiziert werden.

Was bedeutet das Urteil für Internetnutzer? Es besteht aus zwei Teilen: Zum einen hat der BGH die dynamische IP-Adresse als personenbezogenes Datum eingestuft, wie es zuvor auch der Europäische Gerichtshof getan hatte. Die Datenschutzbeauftragte des Bundes, Andrea Voßhoff, begrüßt diese Entscheidung: "Das stärkt den europäischen Datenschutz." Denn personenbezogene Daten dürfen Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz nur unter bestimmten Voraussetzungen und auch nur für einen begrenzten Zeitraum erheben und verwenden. Unter diese Voraussetzungen fällt - und das ist der zweite Teil der Entscheidung der Karlsruher Richter - auch die Bedrohung durch Cyberangriffe. Die Datenspeicherung ermöglicht im Falle von Hacker-Attacken die Strafverfolgung.

Wer entscheidet, ob Internetseiten von Hackerangriffen bedroht sind?

Diese Frage wurde in Bezug auf die Internetseiten des Bundes noch nicht geklärt, der Fall wird vor dem Berliner Landgericht noch einmal neu verhandelt werden. Das Urteil könnte eine Signalwirkung haben, welche Faktoren bei der Abwägung ausschlaggebend sind, ob die Privatsphäre der Nutzer oder die Sicherheit vor Hackerangriffen im Einzelfall überwiegt.

Kann man anonym surfen? Ja, beispielsweise mit einem Tor-Netzwerk, das die Verbindungsdaten anonymisiert. So können Internetseiten besucht werden, ohne dass die Betreiber erkennen könne, welcher Nutzer dahinter steckt. Tor-Browser werden allerdings auch für den Zugang zum Darknet genutzt. Auch ein VPN (Virtual Private Network) schafft durch eine verschleierte IP beim Surfen mehr Privatsphäre, Webseitenaufrufe lassen sich damit nicht zurückverfolgen. Bei vielen kostenfreien Versionen verlangsamt sich allerdings die Übertragungsrate deutlich. Wer nicht auf Surf-Geschwindigkeit verzichten möchte, muss bereit sein, für das anonyme Surfen zu zahlen.

(tak)
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