Frankfurt Gescheiterte Fusion: Zweifel an Börsenchef Kengeter

Frankfurt · Nach dem erneuten Scheitern der Börsenfusion zwischen Frankfurt und London wird über die Motive der London Stock Exchange (LSE) spekuliert. Die LSE hatte die Absage damit begründet, dass der von den EU-Wettbewerbshütern geforderte Verkauf der elektronischen Handelsplattform MTS nicht akzeptabel sei.

Börsen-Fusion zwischen Frankfurt und London: Zweifel an Carsten Kengeter
Foto: dpa, fru axs

In Börsenkreisen gilt der Rückzug, über den die Briten ihren deutschen Partner kaum eine Stunde vor der Veröffentlichung informiert haben sollen, nur als ein möglicher Grund für das Scheitern der Verhandlungen. Angeblich haben die Londoner auch Vorbehalte gegen Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter gehabt. Kengeter sollte Vorstandsvorsitzender des fusionierten Börsenkonzerns werden. Er ist aber in die Kritik geraten, seitdem die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt. Kengeter hatte Ende 2015, noch vor Bekanntwerden der Fusionsgespräche, rund 60.000 Aktien seines Arbeitgebers für 4,5 Millionen Euro gekauft. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gab es zu diesem Zeitpunkt bereits Fusionsgespräche mit der LSE. Würde sich dieser Verdacht bestätigen, hätte Kengeter sich des Insiderhandels schuldig gemacht. Laut "FAZ" wollte Aufsichtsratschef Joachim Faber aber an ihm festhalten, weil für Kengeter zunächst die Unschuldsvermutung gelte. Fabers Amtskollege bei der LSE, Donald Brydon, habe dagegen wegen der Ermittlungen die Eignung des Managers als Chef der fusionierten Börse in Frage gestellt.

Zudem glauben Insider, dass auch die Diskussionen über den Standort das Aus besiegelt haben könnten. Der Vereinbarung zufolge soll London Sitz der Dachgesellschaft sein. Dies gilt für Politiker und Aufsichtsbehörden in Deutschland aber als undenkbar, seit der EU-Austritt Großbritanniens sicher ist. Bestenfalls ein Doppelsitz Frankfurt/London wäre aus deutscher Sicht möglich. Darauf habe sich die LSE-Führungscrew aber nicht einlassen wollen, heißt es in Finanzkreisen. "In London war man wohl bislang zu einer Neubewertung nicht willens oder nicht in der Lage", erklärte gestern der hessische Finanzminister Thomas Schäfer. Die LSE habe mit dem "Nein zum Verkauf des Italien-Geschäfts einen Vorwand gesucht und gefunden, um annähernd gesichtswahrend aus der Verhandlung rauszukommen und den schwarzen Peter nach Brüssel schieben zu können".

(RP)
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