Bofrost-Gründer Josef Boquoi Der Tiefkühl-König vom Niederrhein

Straelen · Josef Boquoi begann als Eis-Lieferant für Bauern. Heute fahren 5600 Wagen für den 82-Jährigen. Nun rüstet man gegen Amazon.

 Historische Lieferwagen von Bofrost: Zum 50-jährigen Bestehen 2016 gab es eine Rallye von alten Fahrzeugen am Niederrhein (Archiv).

Historische Lieferwagen von Bofrost: Zum 50-jährigen Bestehen 2016 gab es eine Rallye von alten Fahrzeugen am Niederrhein (Archiv).

Foto: Bofrost

Josef Boquoi mag keine Reichenliste. Dabei steigt er dort stetig auf. Das "Manager Magazin" führt den 82-Jährigen inzwischen auf Platz 116 mit einem Vermögen von 1,1 Milliarden Euro. Woher der Reichtum stammt, weiß zumindest in Straelen jeder: In dem 15.000-Einwohner-Städtchen am Niederrhein ist die Firma zuhause, die Josef Boquoi erfunden und groß gemacht hat: Bofrost, wie sich "Boquoi Frost" heute abkürzt. 615 Menschen gibt sie allein in Straelen Arbeit, in Europa über 10.700.

Damit konnte der Mann mit dem hugenottischen Namen nicht rechnen, als er vor 51 Jahren seinen Handel startete. Der Sohn eines Kaffee- und Kornrösters hatte nach seiner kaufmännischen Ausbildung im elterlichen Betrieb in Issum angefangen. Doch als die Bauernhöfe Tiefkühltruhen anschafften, entdeckte er ein neues Geschäftsfeld: Boquoi belieferte die Bauern mit Eiscreme — der erste kleine Luxus, den sich Wirtschaftswunder-Deutschland leisten konnte. Wenn den Bauern das Bargeld fehlte, tauschte er das Eis auch schon mal gegen Getreide. Sein erstes Lieferfahrzeug war ein umgebauter VW-Bus.

Von Issum nach Straelen

Mit dem Hunger der Deutschen nach Vielfalt wuchs das kleine Unternehmen aus Issum. Da machte die Stadt einen Fehler. Ganz auf die heimische Brauerei Diebels setzend, zeigte sich Issum wenig flexibel, als Boquoi 1978 neue Flächen brauchte. Also ging er einen Ort weiter nach Straelen, wo er mit offenen Armen empfangen wurde. Am Stadtrand steht die Firma, das Verwaltungsgebäude aus rotem Klinker, die Fensterrahmen in Bofrost-Blau. Eisblumen an der Eingangstür machen klar, dass hier kalte Geschäfte gemacht werden. Alles sehr funktional. Wie für viele niederrheinische Kaufleute gilt auch hier: Wir haben es nicht vom Ausgeben, wir haben es vom Behalten.

Neben der Zentrale stehen riesige Lagerhallen, in denen die Temperatur minus 24 Grad beträgt. Vor kurzem wurde das neue Tiefkühllager TK 8 fertig, es bietet Platz für 3250 Paletten. Beim Spatenstich war Bouquoi dabei, wie er überhaupt in der Region trotz seines Alters präsent ist — und sei es als aktiver Tennisspieler beim Blau-Weiß Issum. Als es mal Probleme mit der Tennishalle gab, kaufte und rettete eine Boquoi-Stiftung sie einfach.

Verkaufsschlager sind: Lachs, Hähnchen — und Spinat

In Straelen lagern tonnenweise gefrorene "Euro-Artikel": Das sind von der Möhre bis zum Schokoeis jene Produkte, die Bofrost in allen Ländern im Programm hat. Gabelstapler sind in den Hallen unterwegs, die Fahrer tragen wattierte Anzüge gegen die Kälte. Von hier aus werden die 115 deutschen Niederlassungen beliefert, von denen aus die Fahrer die Ware wiederum den Kunden nach Haus bringt. Verkaufsschlager in Deutschland sind Lachsfilet, Hähnchen-Brustfilets, Rahmspinat und Kringel Frites.

Das Sortiment hat sich stark gewandelt. In den Anfängen ging es um Vorratshaltung, Bauern kauften Eis in Fünf-Liter-Dosen. Heute, wo die Kühlfächer kleiner und viele Frauen berufstätig sind, werden Fertiggerichte stark nachgefragt, gerne auch vegetarisch und international. Ein gutes Geschäft: Bofrost setzte 2016/2017 europaweit knapp 1,3 Milliarden Euro um. Bofrost hat in Deutschland beim Direktvertrieb für Tiefkühlprodukte einen Marktanteil von 70 Prozent, Eismann aus Mettmann kommt auf 25 Prozent, die übrigen fünf Prozent teilen sich kleine Anbieter.

2,5 Millionen Haushalte werden beliefert

Doch der Markt ist hart umkämpft, die Arbeitsbedingungen hart. Ein Bofrost-Verkaufsfahrer fährt pro Tag je nach Region zwischen 40 und 60 Kunden an. Da es immer weniger Hausfrauen gibt, verschieben sich die Verkaufszeiten oft in die zweite Tageshälfte. Alle 15 Werktage besucht der Fahrer seine Kunden, öfter als früher. Das tarifliche Gehalt liegt zwischen 2100 und 2600 Euro brutto im Monat. Durch erfolgsabhängige Zahlungen können die Fahrer das tarifliche Gehalt aber deutlich ausbauen, betont Bofrost. Wer sich als "Unternehmer im Unternehmen" qualifiziere, erhalten zudem im Rahmen einer betrieblichen Altersvorsorge Fondsanteile bis zu 7000 Euro.

Zuletzt belieferte Bofrost 2,5 Millionen Haushalte in Deutschland, früher waren es schon mal über drei Millionen. Nun setzt man auf Expansion in Europa und neue Sortimente, etwa für Familien. "Bofrost hat in Belgien, Luxemburg und Spanien die Geschäfte von Eismann übernommen, der sich in diesen Ländern aus dem Markt zurückgezogen hat", sagt Edoardo Roncadin, der seit 2015 der Chef des mächtigen Beirats ist, der die Landesgesellschaften führt. Der Italiener, dessen Karriere einst mit einer eigenen Eisdiele begann, ist seit langem ein Vertrauter Boquois. Hat er Angst vor dem Online-Händler Amazon Fresh? Nein, meint Roncadin. "Wir setzen seit Jahren ein umfassendes Modernisierungsprogramm in allen Bereichen um." Die positive Geschäftsentwicklung zeige, "dass wir wettbewerbsfähiger geworden und für Herausforderungen wie Amazon Fresh gerüstet sind".

Familienunternehmen will man bleiben

Auch wenn "JHB", wie der Gründer im Unternehmen heißt, im Hintergrund noch immer die Strippen zieht — das operative Geschäft hat er inzwischen aus der Hand gegeben. Das Unternehmen gehört der Familienstiftung, zwei seiner drei Kinder — Michael und Petra — vertreten im Stiftungsrat die Interessen der Familie. Ihnen zur Seite stehen drei externe Mitglieder, darunter der frühere NRW-Finanzminister Helmut Linssen. Thomas Stoffmehl, Boquois Stiefsohn aus zweiter Ehe, hat das Unternehmen dagegen verlassen, natürlich in gegenseitigem Einvernehmen. Familienunternehmen will man bleiben: "Bofrost ist seit mehr als 50 Jahren ein Familienunternehmen, und durch die Konzentration aller Gesellschaftsanteile in der Familienstiftung ist sichergestellt, dass dies auch in Zukunft so bleibt", sagt Roncadin.

Und Josef Boquoi bleibt der Region treu. Trotz seines Vermögens wohnt er nicht in Südfrankreich oder der Schweiz, sondern in Geldern. Niederrheiner durch und durch.

(anh)
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