Erkelenz Borschemich muss Braunkohle weichen

Erkelenz · Gestern begann der Abriss der Martinus-Kirche. Ab 2017 sollen hier die Braunkohle-Bagger von RWE graben. Dabei lohnt sich die Braunkohle-Verstromung kaum noch. Fast alle Kraftwerke schreiben rote Zahlen.

Die Braunkohle fordert ihren Tribut. Gestern wurde mit dem Abriss der St. Martinus-Kirche in Borschemich bei Erkelenz begonnen. Das Gotteshaus muss dem Tagebau Garzweiler II weichen - wie viele andere Gebäude. Frühere Anwohner weinten, auch für Pastor Werner Rombach war es ein schwerer Moment. Vor 109 Jahren hatten die Borschemicher den Grundstein für das Gotteshaus gelegt. "Damals dachten sie, sie bauen für die Ewigkeit", sagt Rombach. Der Wind fegt über das abgebaggerte Land, links und rechts stehen Häuser, alle unbewohnt. Die heruntergelassenen Fensterläden klappern.

"Es ist wie eine Beerdigung", sagt Marlene Stockfisch. Sie hat sich trotz Kälte mit anderen früheren Bewohnern vor dem Absperrzaun an der Kirche versammelt. Dann ist es soweit. In Sekundenschnelle schlägt die Schaufel in die Rückwand der Sakristei. Stück für Stück frisst sich der Bagger in das Backstein-Gebäude. Über dem Altarraum wird das Dach weggerissen. Metall, Holz und Schieferplatten - alles wird ordentlich in Container sortiert.

Garzweiler II: Kirche in Borschemich wird abgerissen
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Garzweiler II: Kirche in Borschemich wird abgerissen

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Foto: Laaser, J�rgen

Der Energiekonzern RWE, der die Tagebaue und Braunkohle-Kraftwerke im rheinischen Revier betreibt, hat die Kirche 2013 erworben. 2014 wurde sie entwidmet, dann läuteten die Glocken ein letztes Mal. Sie wurden mit Turmuhr, Turmbesteck und Wetterhahn in die neue Kapelle in Borschemich (neu) integriert.

Eine Woche lang arbeitet sich der Abrissbagger nun bis zum Kirchturm vor. Der wird laut RWE voraussichtlich am Montag abgerissen. Anschließend wird das Gelände von Denkmalpflegern und Archäologen untersucht. In einigen Monaten wird hier der riesige Tagebau-Bagger stehen.

Über 30.000 Einwohner wurden bislang im rheinischen Braunkohle-Revier umgesiedelt. Die Eigentümer haben oft eine gute Entschädigung von RWE bekommen. Gewalttätige Aktionen gegen den Konzern wie im Hambacher Forst sind undemokratisch und rechtswidrig. Gleichwohl stellt sich in der Region die Frage, ob das alles noch sein muss. Denn die Braunkohle ist unter Druck. Der Preis für eine Megawattstunde ist wegen des Überangebots an (Öko-)Strom auf 22 Euro gefallen. Vor einigen Jahren gab es noch 60 Euro. Während Steinkohle-Kraftwerke noch ganz gut laufen, weil zugleich der Kohlepreis gefallen ist, schreiben fast alle Braunkohle-Kraftwerke rote Zahlen, wie es in Konzernkreisen heißt. (RWE wollte sich hierzu nicht äußern und verwies auf die Bilanz-Vorlage im März.) Mehr noch: Nun fließen auch noch staatlich organisierte Subventionen für Braunkohle. Insgesamt 1,6 Milliarden Euro muss der Stromkunde in den nächsten Jahren den Versorgern zahlen, damit sie Braunkohle-Blöcke in eine Kraftwerks-Reserve nehmen. Allein bei RWE sind es fünf Blöcke. Heimat abreißen, um subventionierten Strom erzeugen zu können? Für viele unverständlich.

Stockfisch und ihre Schwester stehen noch lange auf dem abgesperrten Weg an der Kirche. Sie haben Kaffee und Kekse mitgebracht. Wie beim Beerdigungskaffee.

(RP)
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