Düsseldorf Brexit - die Folgen für die Finanzmärkte

Düsseldorf · Tagelang ist die Börse wegen der Spekulationen um einen EU-Austritt Großbritanniens abgestürzt. Gestern stiegen die Kurse zwar leicht, aber die Befürchtungen bleiben - vor allem bei Aktien und Devisen. Anleihen könnten profitieren.

Düsseldorf: Brexit - die Folgen für die Finanzmärkte
Foto: Radowski

In einer Woche stimmt Großbritannien darüber ab, ob das Vereinigte Königreich die EU verlässt. Seit Monaten wird über Folgen debattiert, längst hat das Thema die Aktienmärkte erreicht. Tagelang stürzte die Börse wegen der Brexit-Spekulationen ab. Gestern hat der Dax erstmals seit fünf Tagen im Plus geschlossen, aber das hat die Angst nicht beseitigt. Was passiert an den Finanzmärkten?

Aktien Ein Brexit würde vermutlich zumindest kurzfristig die Kurse abstürzen lassen - vor allem auf der britischen Insel. Von einem Minus zwischen 30 und 40 Prozent ist in Voraussagen die Rede. Aber die Angst grassiert nicht nur in London. Ein negatives Referendum könnte die Konjunkturaussichten in Europa insgesamt trüben, und das dürfte kaum ohne Auswirkungen auf die Börsenkurse auf dem Festland bleiben.

Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagte gestern voraus, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt und jenes der EU bei einem Brexit ein Prozent geringer ausfallen könnten. Die Zuwachsrate des britischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) würde bei einem Brexit um etwa ein Prozent im Jahr 2017 und knapp 2,5 Prozent im Jahr 2018 zurückgehen, so das IfW.

Expeten wie Bafin-Präsident sagen vor allem Geldhäusern, die einen Großteil ihres Handelsgeschäfts in London betreiben, Probleme voraus. Also: Bei Bankaktien abwarten.

Zinsen Wo wir gerade bei den Banken sind - denen drohen noch höhere Strafzinsen, wenn die Briten austreten. Würde die Konjunktur tatsächlich schwächeln, könnte die Europäische Zentralbank (EZB) einen neuerlichen Versuch machen, die Kreditvergabe anzukurbeln - unter anderem dadurch, dass sie Banken dazu bringt, so wenig wie möglich Einlagen bei der Zentralbank zu parken. Statt 0,4 könnten es bald 0,5 Prozent sein, die die Banken zahlen müssten, lautet die Prognose. Ob das dann in der Folge auch private Sparer trifft, ist fraglich. Aber: Die Gebühren könnten steigen.

Staatsanleihen Werden Bundesanleihen nach einem Brexit noch attraktiver? Gut möglich. Die Annahme hinter dieser Vermutung: Die Kurse steigen dann weiter, weil Bundespapiere stärker denn je als sicherer Hafen gelten. Selbst britische Staatspapiere würden vermutlich profitieren, weil sich Investoren rechtzeitig vor einer erwarteten Zinssenkung der britischen Notenbank noch höhere Zinsen auf ihr Investment sichern wollten.

Devisen Absturz des Pfund Sterling, womöglich aber auch des Euro - dieses Horrorszenario malen Analysten an den Devisenmärkten. Dass die Einheitswährung leiden könnte, hängt auch mit dem schwindenden Vertrauen in den Zusammenhalt der Euro-Zone zusammen. Der Schweizer Franken könnte neben dem Dollar zum sicheren Hafen für Devisenanleger werden.

Gold Wie immer, wenn Aktienmärkte unter Druck geraten und Währungen wackeln, kommt Gold als sogenannte Krisenwährung ins Spiel. Die einfache Rechnung: So lange der Euro schwach wäre und es konjunkturelle Probleme gäbe, könnte sich der Goldkauf lohnen. Aber wenn sich Währungen erholen und die Konjunktur anzieht, kann es mit der Euphorie schnell vorbei sein. Also: Gold sollte immer nur einen kleinen Teil im Depot ausmachen.

Börsenfusion "Wenn der Brexit kommt, ist die Fusion tot", heißt es bei den Konkurrenten der Londoner und Frankfurter Börse. Tatsächlich scheint der Zusammenschluss beider Börsenplätze im Falle eines EU-Austritts kaum denkbar. Dann würde die deutsche Kritik am Standort London vermutlich wachsen, und am Ende könnte die hessische Börsenaufsicht den Deal verhindern. Der x-te Versuch einer Fusion wäre damit gescheitert.

(RP)
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