Leipzig Bsirske droht mit Eskalation im Kita-Streit

Leipzig · Der Verdi-Chef will die Kranken- und Altenpflegeberufe aufwerten. Heute stellt er sich zur Wiederwahl.

Für Frank Bsirske ist der laufende Verdi-Bundeskongress in Leipzig von Misstönen begleitet. Der Kita-Streit? Immer noch ungelöst. Die gestern noch ausgeweiteten Amazon-Streiks? Ohne sichtbares Ergebnis. Der Streit um Auslagerungen bei der Deutschen Post? Das Management bekommt seine Billig-Gesellschaften für Paketzusteller.

Entsprechend groß war der Druck, der auf Bsirske lastete, als er gestern vor den rund 1000 Delegierten seine Arbeit der vergangenen vier Jahre Revue passieren ließ. Die Dünnhäutigkeit des 63-Jährigen brach an einer Stelle offen zutage, als der Verdi-Chef einen Messe-Beschäftigten anherrschte. Dieser hatte es gewagt, während der für Bsirske so essenziellen Rede einen Wagen mit klappernden Tellern durch den Sitzungssaal zu schieben.

Inhaltlich verlegte sich Bsirske darauf, die Gewerkschafter-Seele zu streicheln. Mit Erfolgen protzen oder bei Rückschlägen zumindest Teilerfolge herausarbeiten, so könnte man den Einstieg seiner rund 90 Minuten dauernden Rückschau beschreiben. Selbst den Rückschlag bei der Post münzte er mit Blick auf die Bestands-Beschäftigten in einen Kompromiss um, "bei dem die Vorteile überwiegen".

Im noch schwelenden Tarifstreit beim Sozial- und Erziehungsdienst gab er sich extrem angriffslustig. Sollten sich die kommunalen Arbeitgeber bei den Verhandlungen in der kommenden Woche nicht bewegen, dann werde das eine massive Eskalation des Konfliktes mit hohen Belastungen für alle Beteiligten mit sich bringen. Gestreikt werden solle ab Mitte Oktober. Und der Verdi-Chef droht bereits mit einer Ausweitung des Konfliktes: Auch für den Kranken- und Altenpflegebereich sowie die "personennahen Dienstleistungen" fordert er eine Aufwertung - die nächsten Tarifauseinandersetzungen ziehen also bereits am Horizont auf.

Zudem könnte es künftig für die kirchlichen Arbeitgeber wie Caritas und Diakonie noch einmal ungemütlich werden: Den Dienstgebern drohte der Verdi-Chef damit, den sogenannten Dritten Weg weiter juristisch zu bekämpfen. Bei dieser Form der Lohnfindung sind Streiks ausgeschlossen. Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Form grundsätzlich erlaubt, allerdings müssten die Gewerkschaften ausreichend bei der Lohnfindung beteiligt werden. Bsirske erklärte, gerade werde geprüft, den Dritten Weg vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kippen zu lassen. Juristisch will die Gewerkschaft zudem gegen die Regelung zur Tarifeinheit vorgehen. "Wir beschränken uns nicht nur auf Unterschriftenaktionen, wir bereiten derzeit eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz vor", so der Verdi-Chef.

Heute wird sich zeigen, ob Bsirskes Rede gefruchtet hat. Dann wählen die Delegierten für die kommenden vier Jahre ihre Gewerkschaftsspitze. Einen ersten Eindruck bekam der alte und wohl auch neue Bundesvorsitzende allerdings schon gestern Nachmittag. Bei der Aussprache zum Geschäftsbericht blieb die erwartete Gewerkschafterschelte seiner Arbeit aus.

(maxi)
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