Berlin Bund will Atomkonzernen Milliarden entziehen

Berlin · Eine wenig industriefreundliche Kommission soll den Atomausstieg organisieren. Streit gibt es zwischen Kanzleramt und Wirtschaftsministerium über die Verlängerung der Haftungsdauer. Eon-Chef Teyssen will eine Klage prüfen.

Atomkraft stand mal für Unabhängigkeit, Klimaschutz, Fortschritt. Der deutsche Staat selbst trieb die Unternehmen an. "In der Geschichte der Bundesrepublik ist kein Kernkraftwerk gebaut worden, das nicht der Staat bestellt hat", sagte Eon-Chef Johannes Teyssen vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung. Doch der Wind hat sich seit dem Unglück von Fukushima gedreht, und die Frage, wer für die Verschrottung der Meiler und Lagerung des Mülls haftet, entzweit seit Monaten Konzerne und Politik. Das Ganze ist mittlerweile Chefsache und wird von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) gemanagt.

Bis Herbst soll die Kommission, die die Lastenverteilung vorbereitet, ihre Arbeit aufnehmen. Doch die Mitglieder, die laut Berliner Kreisen dort einziehen, sind nicht nur Freunde der Industrie: Zwar sollen Altmaier und Gewerkschafts-Chef Michael Vassiliadis dabei sein, der für die Industrie die Klimaabgabe abräumte. Doch mit den Ex-Umweltministern Jürgen Trittin (Grüne) und Klaus Töpfer (CDU) gibt es harte Gegner. Auch die begleitenden Staatssekretäre Jochen Flasbarth (Umwelt), Thomas Steffen (Finanzen) und Rainer Baake (Wirtschaft) wollen tendenziell die Industrie rannehmen. "Wir Grüne fordern seit Jahren, dass sich die Bundesregierung des Themas Atom-Rückstellungen annimmt. Wenn sie es jetzt endlich tun will, werden wir uns nicht verweigern", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer.

Die Kommission soll vorschlagen, wie man die Atomrückstellungen der Konzerne sichert. Dabei geht es um 38 Milliarden Euro. Nach derzeitigen Überlegungen will der Bund den Konzernen den kleineren Teil (rund 16 Milliarden) lassen, die sie für die Verschrottung der Meiler einsetzen wollen. Doch den größeren Teil (rund 22 Milliarden), der sich auf die langfristigen Lasten wie die Endlagerung bezieht, will er ihnen entziehen und in einen Fonds oder eine Stiftung übertragen. Bei einer Stiftung würde der Staat mit in die Haftung gehen, was der Wirtschaft lieber wäre.

Die Union dringt darauf, die Konzerne nicht übermäßig zu belasten. Sie haben die Rückstellungen nicht im Tresor liegen, sondern in Kraftwerken gebunden - und die werden immer weniger wert. Vor allem RWE hätte Schwierigkeiten, hohe Rückstellungen beim Staat abzuliefern.

Gelöst werden soll auch der Haftungs-Streit. Bisher haften Konzerne, die ihre Atomaktivitäten abspalten, für diese nur fünf Jahre. Das findet Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) viel zu wenig. "Eltern haften für ihre Kinder", sagt er und forderte eine Aufhebung der Grenze. Das träfe vor allem Eon: Wenn der Konzern ewig haften müsste, wäre sein Plan, sich in Eon neu (Ökostrom und Handel) und Uniper (Kraftwerke und Atomkraft) aufzuspalten, nur noch halb so schön. Daher kritisierte Teyssen Gabriels Pläne: Ein solches Sondergesetz gebe es für keine andere Branche ("Nicht mal für Banken") und in keinem anderen Land. Doch er werde sich bei der Aufspaltung nicht beirren lassen: "Ich werde diese zum Ende führen, koste es, was es wolle." Wenn das Gesetz vorliege, werde Eon über eine Klage entscheiden.

Die Kritik hat die Union erreicht. Altmaier selbst soll beim Thema Nachhaftung "auf der Bremse stehen", wie es heißt. Daher dürfte es wohl auf eine Verlängerung der Nachhaftung um mehrere Jahre hinauslaufen. Laut Wirtschaftsministerium befindet sich der fertige Gesetzentwurf "derzeit in den internen politischen Abstimmungen".

(mar)
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