Karlsruhe/Geldern Urteil stärkt Gasversorger

Karlsruhe/Geldern · Verbraucher dürfen Preiserhöhungen anfechten, hat der Bundesgerichtshof entschieden. Aber nur, wenn Grundversorger die Aufschläge aus Profitgründen erheben.

Bundesgerichtshof: Verbraucher dürfen Preiserhöhungen anfechten
Foto: Radowski

Steigende Energiepreise sind für Verbraucher ein Ärgernis. Aber nicht in jedem Fall muss sie der Kunde hinnehmen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wer hat sich gestritten? Zwei Privatleute mit den Stadtwerken Hamm und Geldern. Die Kunden hatten Preiserhöhungen moniert, die die Unternehmen zwischen 2004 und 2008 im Rahmen eines Grundversorgungsvertrags vorgenommen hatten. Ein solcher Vertrag kommt dann mit dem örtlichen Anbieter zustande, wenn die Kunden nicht nach günstigeren Alternativen suchen. Die Verbraucher weigerten sich, die Preisaufschläge zu zahlen, und die Versorger zogen vor Gericht. Beim Oberlandesgericht Düsseldorf bekamen die Unternehmen 2011 Recht, das Revisionsverfahren ging an den Bundesgerichtshof, der den Fall zunächst an den Europäischen Gerichtshof weiterreichte.

Was hat der EuGH entschieden? Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Verbraucher rechtzeitig über Anlass, Voraussetzungen und Umfang von Preisänderungen informiert sein müssen. Bisher hatte das deutsche Recht nur eine Information des Verbrauchers festgelegt - nicht aber, worüber genau der Kunde informiert werden muss. Schon zügig nach dem Urteil passte der deutsche Gesetzgeber die Vorschriften an die Anforderungen des EuGH an. Der BGH musste jetzt das Luxemburger Urteil auf die konkreten Fälle anwenden.

Was hat der BGH entschieden? Tarifkunden in Haushalten mit Gasgrundversorgung haben Anspruch auf Rückzahlung von erhöhten Gaspreisen, wenn sie nicht ausreichend von ihren Anbietern informiert wurden. Die Versorger durften den Kunden nur eigene Kostenerhöhungen berechnen. Was sie aus Profitgründen aufgeschlagen haben, müssen sie zurückerstatten. In dem konkreten Fall gab das Gericht aber den klagenden Stadtwerken Recht. Die Versorger hätten vor Gericht beweisen können, dass sie nur ihre eigenen Kostensteigerungen weitergegeben hätten. Die Gelderner Stadtwerke sehen sich demnach auch als Sieger auf ganzer Linie. "Wir haben den Rechtsstreit auf allen Ebenen und in allen Instanzen gewonnen", sagt der Kaufmännische Leiter Arno Nothen. Die Privatleute müssen rund 813 und 1533 Euro nachzahlen.

Droht jetzt eine Klagewelle? "Wer das Geld einfordern will, wird vor Gericht ziehen und die Billigkeit der Preiserhöhung prüfen lassen müssen", sagt Jürgen Schröder von der Verbraucherzentrale (VZ) NRW. Der BGH hat entschieden, dass es eine dreijährige Widerspruchsfrist gibt, rückwirkend also bis zum 28. Oktober 2012. "Die letzten großen Preissprünge gab es aber im Jahr 2008. Darum erwarten wir, dass sich die Tragweite des Urteils in Grenzen hält", sagt Florian Krüger von Verivox. Geringe Streitsummen stehen hohen Prozesskosten gegenüber, dementsprechend sieht auch die VZ die Entscheidung als Niederlage für den rechtlichen Verbraucherschutz. Dem BGH liegen elf ähnliche Fälle vor, denen die aktuellen als Pilotverfahren dienten. Eine Klagewelle wird es wohl eher nicht geben.

Wie sparen Kunden trotzdem? "Der Tarif in der Grundversorgung ist in der Regel der teuerste", sagt Florian Krüger vom Internetvergleichsportal Verivox. Kunden mit solch einem Vertrag sollten über einen Wechsel nachdenken. "Entweder in einen anderen Tarif beim Grundversorger oder zu einem komplett neuen Anbieter." Immerhin ein Viertel der Verbraucher ist Tarifkunde mit Grundversorgungsvertrag. Dabei kann sich Wechseln lohnen: Für ein Einfamilienhaus mit 20.000 Kilowattstunden schlägt sich der Wechsel in den günstigsten vor Ort möglichen Tarif mit bis zu 600 Euro im Jahr nieder.

(RP)
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