Chef der Initiative Tierwohl "Beim Fleischkauf spielt immer noch der Preis die größte Rolle"

Düsseldorf · Im Interview mit unserer Redaktion spricht der Chef der Initiative Tierwohl, Alexander Hinrichs, über Moral des Bürgers beim Fleischkauf, welche Auflagen teilnehmende Betriebe erfüllen müssen und was für die Gastronomie bei der Fleischbeschaffung wichtig ist.

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Foto: dpa, Carsten Rehder

Einige Landwirte sind nicht gut auf die Aktion "Tierwohl" zu sprechen …

Hinrichs Leider konnten nicht alle Landwirte, die zu Beginn mitmachen wollten, teilnehmen, weil das Geld dafür einfach nicht da war. Bislang können rund 3400 Tierhalter an der Initiative Tierwohl teilnehmen. Das Interesse der Landwirte war jedoch noch größer. Betriebe haben Umbauten vorgenommen, um teilnehmen zu können. Sie haben zum Beispiel größere Fensterflächen eingebaut, um unsere Anforderungen zu erfüllen. Das taten sie mit der Erwartungshaltung, dass sie dann auf jeden Fall dabei sein werden, was leider nicht der Fall war.

Ist denn mittlerweile mehr Geld da?

Hinrichs Ab 2018 beginnt eine neue Programmperiode. Der Handel hat sich verpflichtet, in der Zeit von drei Jahren mehr Geld einzuzahlen — über 50 Prozent mehr. Dadurch haben wir dann 130 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Bislang sind es 85 Millionen Euro. Damit können wir ab kommendem Jahr deutlich mehr Tierhalter an der Initiative teilnehmen lassen und kommen damit den Wünschen nach, mehr Tierhaltern die Teilnahme zu ermöglichen.

Gibt es Anforderungen, die die Landwirte erfüllen müssen?

Hinrichs Wir haben unsere Teilnahmeanforderungen überarbeitet. So haben wir die Grundanforderungen für die Tierhalter vereinheitlicht und angehoben. Wir haben in den letzten drei Jahren ein sehr verlässliches System aufgebaut, auch was die Einzahlung des Lebensmittelhandels und die Weitergaben der Gelder an die Landwirte angeht.

Werden teilnehmende Höfe kontrolliert?

Hinrichs Jeder teilnehmende Betrieb wird inzwischen zweimal jährlich kontrolliert. Seit Start haben wir bereits über 10.000 Audits auf den Betrieben durchgeführt. Wer gegen die Auflagen verstößt, fliegt raus. Das kommt auch vor und dann müssen wir auch streng sein.

Weiß der Verbraucher eigentlich, dass er "Tierwohl"-Fleisch kauft …

Hinrichs Bislang können wir dem Verbraucher sagen, welcher Lebensmittelhändler an der Initiative Tierwohl teilnimmt und dass der Verbraucher sicher sein kann, dass für jedes gekaufte Stück Fleisch oder Wurst ein Förderbeitrag an die Initiative Tierwohl abgeführt wird. Unser Ziel ist es aber, dass die Verbraucher eindeutig erkennen können, dass ein Produkt von einem Tierwohl-Betrieb kommt. Damit werden wir ab 2018 bei Geflügel-Produkten starten.

Zahlen die Lebensmittelhändler mehr Geld an die Landwirte?

Hinrichs Die teilnehmenden Lebensmittehändler stocken ihren Finanzbeitrag ab 2018 bereits um über 50 Prozent auf. Damit können wir viel mehr Betriebe in die Initiative Tierwohl aufnehmen.

Mehr nicht?

Hinrichs Bei der Forderung nach noch mehr Mitteln müssen wir aber beachten, dass wir uns in einem Markt mit Wettbewerb bewegen. Fleisch ist immer noch sehr preissensibel in Deutschland. Die teilnehmenden Einzelhändler machen zwar rund 85 Prozent des Marktes aus, aber es gibt noch mittelständische und kleinere Unternehmen, die in einzelnen Regionen eine sehr große Konkurrenzfähigkeit haben. Bei einer weiteren Erhöhung des Tierwohl-Beitrags, überschreiten wir irgendwann eine Schwelle, wo die Lebensmittelhändler, die sich bislang nicht an der Initiative Tierwohl beteiligen, Fleisch spürbar preiswerter verkaufen können, als die Händler, die sich in der Initiative Tierwohl engagieren. Wenn sich die noch fehlenden Händler ebenfalls der Initiative Tierwohl anschließen würden, wäre es viel einfacher, höhere Sätze festzulegen.

Sind die Verbrauchern nicht dazu bereit, mehr Geld fürs Fleisch auszugeben?

Hinrichs Das Problem ist so: In unserer Brust schlagen zwei Herzen. Die des Bürgers und die des Einkäufers. Bei Befragungen geben wir gern an, mehr Geld für mehr Tierwohl bezahlen zu wollen. Beim tatsächlichen Einkauf spielt aber der Preis aber meistens die entscheidende Rolle. Natürlich wäre das schön, wenn es anders wäre. Aber das ist leider nicht die Realität. Eine entscheidende Frage ist, wie wir dahin kommen, das Fleisch aber auch anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine höhere Wertschätzung entgegen gebracht wird.

Beteiligt sich auch die Gastronomie eigentlich an der Aktion?

Hinrichs Nur etwa 30 Prozent des Fleisches, das geschlachtet wird, geht in den Lebensmitteleinzelhandel. Der andere Teil geht in die Gastronomie, an Großverbraucher wie Kantinen oder in den Export. Da zählt am Ende oft nur der Preis. Uns wurde oft gesagt, dass Tierwohl in der Gastronomie leider kein Verkaufskriterium ist. Es müsse schmecken und es muss einigermaßen ins Budget passen. Das ist ernüchternd.

Das Interview führte Christian Schwerdtfeger.

(csf)
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