Düsseldorf Chiemgauer und Co: Die Blütezeit der Regionalwährungen

Düsseldorf · Deutschland ist voll von regional gebundenen Zahlungsmitteln. Sie sollen Kaufkraft in der Region halten und den Konsum ankurbeln.

Es sollte doch nur ein Schulprojekt sein. Eines, mit dem der Lehrer seinen Schülern anschaulich erklärt, wie das eigentlich funktioniert mit dem Geld. Und mit den verschiedenen Währungen. Doch das, was der Pädagoge Christian Gelleri im Januar 2003 an der Waldorfschule Chiemgau in Prien mit seiner zehnten Klasse schuf, ist zu einer Währung geworden, die in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein rege genutzt wird und die heute die größte und wichtigste Regionalwährung in Deutschland ist: der Chiemgauer.

Nach derzeitiger Zählung ist diese Regionalwährung, die nur in den beiden Landkreisen genutzt werden kann, mit 702 734 Chiemgauern im Umlauf (Stand: 18. März). Das entspricht eins zu eins dem Gegenwert in Euro. Das macht zwar nur rund 0,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Region aus, aber das Wachstum ist durchaus beachtlich. 626 Unternehmen machen mit, 252 Vereine, es gibt 39 Ausgabestellen, und mittlerweile kümmert sich eine eigens gegründete Genossenschaft um die wirtschaftliche Abwicklung des Chiemgauer.

So wie die Oberbayern haben viele Regionen in Deutschland in den vergangenen Jahren ihre eigenen Zahlungsmittel geschaffen. Die Bundesrepublik ist voll von Parallelwährungen mit regionalem Bezug. Seit Anfang des Jahrtausends sind in Deutschland mehr als 50 Regionalwährungen entstanden. Und zwar nicht nur solche, die wie ein Rabattsystem in einem Händlerverbund wie zum Beispiel die Bonusmeilen der Lufthansa funktionieren. Sondern richtige Währungen, die gegen Euro eingetauscht werden und mit denen Verbraucher ihren Einkauf bezahlen können. Sie haben meist putzig klingende Namen mit regionalem Bezug wie der Lausitzer, Rheingold (Düsseldorf), Urstromtaler (Sachsen-Anhalt), Justus (Gießen) oder Markgräfler (Heitersheim). Das Design der Scheine variiert stark von schlicht-modern bis Uralt-Gemälde auf Papier. Mittlerweile gibt es sogar einen Bundesverband für Regionalgeld mit Sitz in Magdeburg.

Eine Regionalwährung soll Kaufkraft in der Region halten und regionale Produzenten fördern. Denn das Geld ist vor allem dazu da, ausgegeben zu werden. Dafür sorgt ein Negativzins, also eine Art Umlaufsicherung. Der Chiemgauer etwa verliert nach drei Monaten zwei Prozent an Wert. Spätestens nach vier Jahren werden die Scheine nicht mehr akzeptiert. Die Währung soll also vor allem die Konjunktur ankurbeln. Wissenschaftler kritisieren, dass dies zwar kurzfristig durchaus für Wachstumsimpulse sorgen könne. Langfristiges und damit gesundes Wachstum braucht aber eine gewisse Sparquote – sonst wird nicht investiert. Wer eine Regionalwährung aber zur Wertsicherung kauft, um sie zu horten, der glaubt auch, er könne Zeit sparen, wenn er seine Uhr anhält.

Insofern können regionale Zahlungsmittel höchstens als Komplementärwährung dienen, bei der der Kunde einen Rabatt einheimst, wenn er sein Geld daheim ausgibt. Oder der mit der Regionalwährung erwirtschaftete Umsatz wird wie beim Chiemgauer an gemeinnützige Vereine gespendet.

(RP)
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