Frankfurt/M. Chinas Börsen in freiem Fall - Anleger fürchten Asienkrise

Frankfurt/M. · Der Kursverfall hat sich gestern fortgesetzt. Betroffen ist auch die Mittelschicht. Sollte sie in Zahlungsnöte geraten, droht eine Rezession.

Rettungspakete hier - Reformvorschläge da. Die Hängepartie in der griechischen Schuldenkrise hat die Finanzmärkte fast in einen Dämmerschlaf versetzt. Auf alle Fälle lenkt die Frage rund um den möglichen Grexit von anderen Themen ab. Dabei hat es in China einen veritablen Crash gegeben, der sich gestern fortgesetzt hat. Seit Mitte Juni ist der Leitindex Shanghai Composite um gut 30 Prozent eingebrochen. An der anderen Festlandbörse in Shenzen entstanden ähnlich hohe Verluste. Gestern brachen die Kurse erneut ein. Der Shanghai Composite büßte knapp sechs Prozent ein. Andere Börsen in der Region folgten. In Europa herrschte dagegen relative Ruhe. Der Dax legte nach fünf Tagen im Minus wieder leicht zu. Allerdings gerieten Aktien von Unternehmen unter Druck, die stark vom Geschäft mit China abhängen. Vor allem Autoaktien verbuchten Verluste.

Experten sind sich einig, dass in China eine Spekulationsblase platzt. Binnen weniger Monate hatten sich die Kurse an den chinesischen Festlandbörsen verdreifacht. Gleichzeitig ist die Wirtschaft ins Stocken geraten. Die Exporte schwächeln, die Investitionen sind rückläufig. Chinas Regierung peilt für dieses Jahr sieben Prozent Wachstum an. Das wäre der niedrigste Wert seit sechs Jahren.

Der Aktienmarkt gilt schon lange als überbewertet. "Gepaart mit der schwächeren Wirtschaft ist das eine Mischung, die darauf hinweist, dass etwas im Argen liegt", sagt Jürgen Pieper, Leiter der Aktienanalyse im Bankhaus Metzler. Pieper geht davon aus, dass kurzfristig die Kurse um weitere 20 Prozent fallen könnten. So sei das viel beachtete Kursgewinnverhältnis (KGV) in Schanghai von 26 auf 19 gesunken. Der Dax ist mit einem KGV von etwa 13 bis 14 bewertet. "Das schützt ein Stück weit vor Ansteckungen", so Pieper.

Unsicherheit herrscht an den Märkten darüber, ob eine deutlich abkühlende chinesische Wirtschaft eine neue Asienkrise auslösen könnte. In den Jahren 1997 und 1998 waren Währungen und Aktienkurse in vielen ostasiatischen Ländern nach einer geplatzten Kreditblase kollabiert und hatten die Region in eine tiefe Rezession gestürzt. Auch die aktuellen Probleme sind eine Folge kreditfinanzierten Wachstums. Im Gegensatz zu europäischen Märkten werden Chinas Festlandbörsen von Privatanlegern dominiert. Diese haben einen Großteil ihrer Aktienkäufe mit Krediten finanziert. Sollten nun Teile der chinesischen Mittelschicht in Zahlungsnöte geraten, könnte das Land in eine Rezession abgleiten.

Ob sich die Talfahrt mittelfristig stoppen lässt, ist fraglich. Die Zentralbank hat viermal den Leitzins gesenkt, fast die Hälfte aller Aktien wurde vom Handel ausgesetzt, Chinas Finanzminister kündigte 500 Milliarden Yuan (73 Milliarden Euro) als Stützungsmaßnahme an. Geholfen hat das bisher nicht.

(RP)
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