Weltwirtschaft Warum China Hunger auf westliche Firmen hat

Düsseldorf · Das Übernahmeangebot für den Schweizer Agrarchemie-Anbieter Syngenta ist nur ein Beispiel dafür, wie Geld aus der Volksrepublik nach Europa fließt. Mit ihrem Fünf-Jahres-Plan fördert die Regierung diese Entwicklung bewusst.

Was haben eine Müllverbrennungsanlage im niedersächsischen Helmstedt, das Hollywood-Studio hinter Christopher Nolans "Batman"-Filmen und zwei britische Atomkraftwerke gemeinsam? Hinter allen steht inzwischen ein chinesischer Investor. Aus der Volksrepublik fließt massiv Geld in Richtung Westen. China schickt sich nach Worten des britischen Premiers David Cameron an, "die größte Volkswirtschaft der Welt" zu werden. Und das, obwohl die Börsen des Landes zuletzt vor allem durch Achterbahnfahrten von sich reden machten und die Ökonomen der Welt zunehmend mit Sorge auf die sich abschwächende Konjunktur des Landes blicken.

"Die Börsenturbulenzen der vergangenen Monate haben wenig mit der Investitionstätigkeit chinesischer Unternehmen in Europa zu tun", sagt Thomas Heck, Leiter der China-Gruppe bei der Unternehmensberatung PwC in Shanghai. Das liege in erster Linie daran, dass institutionelle Anleger an den chinesischen Märkten nahezu keine Rolle spielten: "Dort tummeln sich in erster Linie Kleinanleger, deren Kauf- oder Verkaufsentscheidungen weniger rational ablaufen. Das wird nahezu wie ein Glücksspiel gehandhabt."

Expansion im Fünf-Jahres-Plan festgeschrieben

Doch was steckt dann hinter dem Hunger chinesischer Firmen auf westliche Investments? Heck zufolge die Idee, dass organisches Wachstum in China selbst nicht mehr oder nur noch begrenzt möglich sei. Die Transaktionszahlen und -werte auf dem europäischen Markt wachsen. "Und das nicht zuletzt, weil die Regierung in Peking diese Entwicklung massiv befeuert. Im Fünf-Jahres-Plan hat sie dies auch entsprechend festgeschrieben", sagt Heck. Chinesische Investoren bekommen vom Staat günstige Darlehen, um ihre Käufe in Europa umzusetzen.

Der niedrige Eurokurs tut ein Übriges: "Zu einem Kurs, der fast 20 Prozent unter dem Wert von vor zwei Jahren liegt, lohnt der Einkauf", sagt Heck. "Die chinesischen Unternehmen werden das Zeitfenster nutzen, um weitere Zukäufe zu tätigen. Ich erwarte, dass das Volumen in den kommenden Wochen noch einmal auf ein Rekordniveau steigt."

Nicht alle dürften derart hoch ausfallen wie das Engagement bei Syngenta. Für den Schweizer Agrarchemie-Anbieter hatte die staatliche ChemChina 465 Dollar je Aktie in bar und zusätzlich eine Sonderdividende geboten - das entspräche einem Wert von mehr als 43 Milliarden Dollar (38,5 Milliarden Euro). Heck geht allerdings davon aus, dass es sich bei Syngenta um einen Ausreißer handelt: "Es werden insbesondere Transaktionen im Millionen- oder einstelligen Milliardenbereich sein."

Keine Gegenwehr aus Europa

Günstig wirkt sich für die Chinesen auch aus, dass sie inzwischen wenig Gegenwind aus Europa zu erwarten haben - weder von der Politik noch von den Unternehmen selbst. Kulturelle Vorbehalte gibt es so gut wie gar nicht. Anders als etwa japanische Unternehmen sind die Chinesen zudem deutlich zurückhaltender, nachdem sie eine Übernahme getätigt haben. "Japanische Investoren haben nach dem Kauf deutscher Unternehmen in der Regel auch japanische Manager eingesetzt. Das läuft bei den Chinesen häufig anders", so der China-Experte. Viele beschränkten sich auf eine Beobachterrolle: "Auch was die Integration in die chinesischen Konzerne angeht und die Übertragung auf den chinesischen Markt sind die Käufer oft sehr verhalten. Da gibt es aus unserer Sicht noch einen deutlichen Nachholbedarf."

Interesse zeigen die chinesischen Firmen insbesondere an den klassischen deutschen Branchen, also Automobilzuliefer-Betrieben oder Maschinenbau-Firmen. "Wenn Sie da einen Übernahmekandidaten aus Deutschland benennen, dauert es nicht sehr lange, bis sie einen chinesischen Investor gefunden haben", sagt der PwC-Experte. Grund dafür: das im Mai 2015 aufgelegte Programm "Made in China 2025". Darin hat die Regierung in Peking festgelegt, dass sich die Wirtschaft von Billigprodukten und Massenware hin zum Hochtechnologie-Produzenten wandeln soll. "Dieses Ziel halte ich für äußerst ambitioniert, allerdings legen die Investoren mit den massiven Zukäufen in Europa zumindest einen Grundstein", so Heck.

(maxi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort