Frankfurt/M. Cryans erster Tag als Deutsche-Bank-Chef

Frankfurt/M. · In einem Brief an die Mitarbeiter skizziert der Neue seine Pläne. Die Erwartungen an den EX-USB-Manager sind hoch.

John Cryan will kräftig aufräumen. Das hat der neue Co-Chef der Deutschen Bank gestern in einem Brief an die etwa 100 000 Mitarbeiter des größten deutschen Geldhauses deutlich gemacht. Er wolle "offen und ehrlich" mit ihnen darüber sprechen, schrieb er in dem Brief, der auch auf der Internetseite der Bank veröffentlicht wurde. "Ich werde Ihnen nicht sagen, dass in den nächsten Monaten alles harmonisch und ohne Probleme verlaufen wird", schrieb Cryan und zählte all die Herausforderungen auf, die das Institut in den nächsten Monaten angehen müsse: Der schlechte Ruf des Hauses, das durch "Fälle von schwerwiegendem Fehlverhalten beschädigt" sei, die zu große Komplexität des Geschäftsmodells und die Ineffizienz der Prozesse. Mit dem letzten Punkt antwortet Cryan schon auf die Kritik von Felix Hufeld, dem Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Der war mit der Bank deutlich ins Gericht gegangen: "Neben der Umsetzung der von der Deutschen Bank neu formulierten Strategie ist es sicherlich eine Priorität, auch besonders aus aufsichtlicher Sicht, für belastbare, robuste Prozesse zu sorgen, mit denen die Vielfalt der Geschäfte in diesem komplexen Institut sicher abgewickelt werden kann", hatte Hufeld am Montag kritisiert. Hier müsse die Deutsche Bank nachrüsten.

Immerhin scheinen die Anleger dem Nachfolger von Anshu Jain als Co-Chef zuzutrauen, dass er im Haus aufräumen kann. Zum zweiten Mal nach Anfang Juni, als seine Berufung bekannt gemacht worden war, legte die Aktie der Deutschen Bank zu. In einem freundlichen Umfeld kletterte sie um fast fünf Prozent. Denn Wegbegleiter trauen dem 54-jährigen Briten, der anders als der indischstämmige Brite Jain gut deutsch spricht, die Aufgabe zu, das skandalgeschüttelte Institut aus der Krise zu führen. Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass er als Finanzvorstand der UBS in den Jahren 2008 bis 2011 maßgeblich daran beteiligt war, das schweizerische Bankhaus neu auszurichten. Der Brite gilt als unprätentiöser, sachorientierter Macher, dem zudem gute Fähigkeiten zur Kommunikation nachgesagt werden.

"Bei der Deutschen Bank ändert sich nichts von heute auf morgen dadurch, dass man die Figuren an der Spitze austauscht", warnt aber Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Denn Cryan, der nach dem Rückzug Jürgen Fitschens Ende Mai kommenden Jahres allein die Deutsche Bank führen wird, steht am Anfang eines schwierigen Wegs. Die Investoren erwarten von ihm vor allem die Ausgestaltung der Strategie. Deren eigentliche Ausrichtung ändert sich voraussichtlich zwar nicht. Die Postbank wird verkauft, die nächsten Schritte werde man "so schnell und effektiv wie möglich ausführen", kündigte Cryan an. Bis Ende 2016 soll sie vorzugsweise über die Börse verkauft werden. "Auch wenn der Weggang der Kollegen traurig stimmt, wünschen wir der Postbank alles Gute für eine erfolgreiche und unabhängige Zukunft", schrieb Cryan.

Aber nicht nur das Privatkundengeschäft, auch das Investmentbanking wird neu ausgerichtet. Das Handelsgeschäft mit Wertpapieren und Derivaten könne nicht mehr so bilanzintensiv sein: "Diesen Luxus können wir uns nicht erlauben", heißt es in Cryans Brief. "Die Strategie steht und fällt mit dem Anleihehandel", sagt auch Stefan Bongardt, Analyst von Independent Research. Denn der sei zu kapitalintensiv, ohne Änderungen müsse sonst in absehbarer Zeit das Kapital erhöht werden. Das hatte die vorherige Doppelspitze Jain und Fitschen zwar mehrfach getan, die Rendite ließ aber trotzdem zu wünschen übrig.

(RP)
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