Verhandlung vor dem EU-Gerichtshof Darf die EZB Staatsanleihen kaufen?

Frankfurt · Wieder einmal steht die Europäische Zentralbank (EZB) vor Gericht. Der EU-Gerichtshof hat am Dienstag über Maßnahmen der Notenbank gegen die Krise verhandelt. Es geht um ein Programm zum Kauf von Staatsanleihen, das nie zum Einsatz kam. Fragen und Antworten zum Themenkomplex:

Der EU-Gerichtshof verhandelt über die geplanten Anleihe-Käufe des EZB-Chefs Mario Draghi.

Der EU-Gerichtshof verhandelt über die geplanten Anleihe-Käufe des EZB-Chefs Mario Draghi.

Foto: dpa, brx cdt

Worum dreht sich das Luxemburger Verfahren?

Verhandelt wird über die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Sommer 2012, notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen. Das Bundesverfassungsgericht war im Februar 2014 zu dem Schluss gekommen, die EZB habe mit diesem sogenannten OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions") ihre Kompetenzen überschritten: Die EZB dürfe nach den Europäischen Verträgen keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Außerdem war das Verfassungsgericht der Meinung, der OMT-Beschluss verstoße gegen das Verbot einer Mitfinanzierung von Staatshaushalten. Die endgültige Entscheidung überließ Karlsruhe den Luxemburger Richtern.

Was genau ist das OMT-Programm?

Anfang September 2012 beschloss der EZB-Rat gegen den Widerstand von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, Euro-Krisenländern notfalls mit dem unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen unter die Arme zu greifen.
Die Bedingungen: Die jeweiligen Staaten stellen zuvor einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds und unterwerfen sich politischen Reformvorgaben. Erwerben wollte die EZB die Bonds auf dem Sekundärmarkt, also etwa von Banken, nicht direkt von den Staaten. Spanien, Italien, Portugal hätten von sinkenden Zinsen profitiert.

Welches Ziel verfolgte die EZB mit dieser Maßnahme?

Im Sommer 2012 stand die Eurozone vor der Zerreißprobe. EZB-Präsident Mario Draghi sah sich zu einem historischen Versprechen genötigt: "Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten." Wenig später stand das OMT-Programm. Dass allein dessen Ankündigung die Märkte beruhigte, geben sogar Kritiker zu. Draghis Versprechen und das OMT-Programm gelten als Wendepunkt in der Staatsschuldenkrise: Der Notenbankchef grub Spekulanten das Wasser ab, die auf den Zerfall des Währungsraums setzten. Die Sorgen vor einem Staatsbankrott Spaniens oder Italiens verflogen. Das Vertrauen der Investoren in den Euroraum verbesserte sich - obwohl die EZB im Rahmen des OMT keine einzige Anleihe kaufte.

Warum sind Staatsanleihenkäufe durch die EZB so umstritten?

Kritiker meinen, die EZB finanziere so letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Das mache die Notenbank abhängig von den jeweiligen Staaten und gefährde ihre Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen. Zudem lähme es die Reformbereitschaft, wenn sich Staaten darauf verlassen, dass es notfalls die EZB richten wird. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, einer der Kläger, sagt: "Das OMT-Programm ist ein "Rettungsschirm", den die EZB für Krisenstaaten aufgespannt hat."

Wie hoch ist das Risiko von Verlusten?

Bei allen Sondermaßnahmen der EZB im Kampf gegen die Dauerkrise hält sich die Sorge, dass die Steuerzahler mögliche Verluste letztlich tragen müssen. Der Präsident des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn sagt: "Die Finanzmärkte sind nur dadurch beruhigt worden, dass die Lasten von den cleveren Zockern hinter ihren Bildschirmen auf die treuglaubenden Steuerzahler verlagert wurden. Das ist zynisch." Denn: Verluste könnte die EZB auf die nationalen Zentralbanken abwälzen. Deutschland ist über die Bundesbank mit rund 26 Prozent größter EZB-Anteilseigner. Das erste Kaufprogramm für Staatsanleihen ("Securities Markets Programme"/SMP) jedoch, das die Notenbank im Mai 2010 aufgelegt hatte, brachte der EZB 2012 und 2013 insgesamt gut zwei Milliarden Euro Zinseinnahmen.

Wie verteidigt sich die EZB?

Mit dem Argument, im Rahmen der Verträge zu handeln. "Ziel und Instrument sind mandatskonform", sagt EZB-Anwalt Hans-Georg Kamann. Die EZB gehe wie die Feuerwehr sehr sorgfältig vor: "Die Feuerwehr (...) löscht das brennende Haus und unter Umständen angrenzende Häuser. Dies schützt das ganze Viertel. Genauso schützt die EZB durch spezifischen Staatsanleihen-Kauf effektiv den ganzen Euro-Raum." Wann fällt in Luxemburg eine Entscheidung?
Der einflussreiche Generalanwalt will am 14. Januar 2015 sein Gutachten vorlegen. Das Urteil wird wohl in etwa einem Jahr fallen.

Was droht der EZB?

Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Richter das Programm durchwinken werden. "Wir erwarten, dass der EuGH die Zulässigkeit der OMT-Käufe im Sommer 2015 erklären wird", schreibt UniCredit-Volkswirt Andreas Rees. "In der Vergangenheit hatte der EuGH die Tendenz, den Einfluss der EU-Entscheidungsträger auszudehnen." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der in Luxemburg seine EU-Amtskollegen traf, zeigte sich mit Blick auf das EuGH-Verfahren "völlig entspannt."

Was würde passieren, falls der EuGH das Programm doch kippt?

Dann wären der EZB in Zukunft die Hände gebunden. Allerdings könnte der EuGH auch nur bestimmte Vorgaben für Anleihekäufe machen, etwa zum Umfang oder zur Dauer. Kläger Gauweiler weist darauf hin, dass mit dem EuGH-Urteil "der Rechtsstreit definitiv nicht entschieden" ist. Das Bundesverfassungsgericht muss dann entscheiden.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort