Düsseldorf Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts

Düsseldorf · Immer mehr Unternehmen setzen auf Big-Data-Lösungen. Denn Echtzeit-Analysen großer Datenberge ermöglichen zielgenaue Angebote und eine perfekt auf künftige Nachfragen abgestimmte Produktion - also den Blick in die Zukunft.

Ein Gespenst geht um in der digitalen Welt, und sein Name birgt Verheißung und Verdammnis zugleich. Big Data heißt es, und es macht möglich, wovon die Menschheit ziemlich lange geträumt hat: Der Blick in die Zukunft auf Grundlage der Analyse riesiger Datenmengen erlaubt die Optimierung der Welt, wie sie ein Unternehmen gerne hätte. Vereinfacht gesagt: Big Data macht das Wetter nicht besser, aber es sorgt dafür, dass die Menschen immer optimal ausgestattet sind für das Wetter in den nächsten Stunden. Und das ist Vielen unheimlich wie ein Gespenst.

Aber: Was ist so schlimm daran, wenn ein Navigationsgerät genau weiß, wo wie viele Autos auf welcher Strecke zu meinem Ziel unterwegs sind und wie schnell sie fahren? Warum soll die Verbreitung einer Erkältung nicht über die Häufung von Foreneinträgen im Netz zum Thema Halsschmerzen vorhergesagt werden? Wo liegt das Problem, wenn der Supermarkt weiß, dass in einem Stadtteil viele Menschen im Internet nach Tipps zum Grillen suchen - und dann eben mehr Fleisch als sonst in der Kühltruhe bereit liegt? Bisher mussten das Marktforschungsunternehmen aufwendig herausfinden, künftig reicht ein einziger Datenanalyst. Denn die Informationen hat die Masse ja bereitwillig zur Verfügung gestellt. Vor allem bei Gesundheit, Sicherheit und Verkehr sorgt eine kleine gelieferte Datenmenge des Einzelnen für eine Verbesserung für die Allgemeinheit.

Big Data ist aber Fluch und Segen zugleich. Ein hochrangiger Google-Vertreter bekannte neulich, es werde für Nutzer künftig immer schwerer, Angebote zu erhalten, die nicht auf sie zugeschnitten sind. Und Big-Data-Experte und Buchautor Viktor Mayer-Schönberger warnt: "Wir werden als Menschen immer vorhersehbarer. Anhand der Daten lässt sich ablesen, wie wir denken und wie wir in der Zukunft handeln werden."

Für den Konsumenten wirken sich analysierte Daten so aus, als würde er mit Scheuklappen durch ein Kaufhaus rennen. Zielgerichtet wird er aufmerksam gemacht auf das, was er gerade braucht und das, was ihn interessiert. Auf der anderen Seite sieht er kaum mehr das, was abseits seines Regals auf ihn wartet, wonach er bisher einfach nicht gesucht hat. Die ureigenste Eigenschaft der Internetnutzung wandert aus der digitalen Welt in die Wirklichkeit: Der Mensch findet nichts mehr, er sucht nur noch. Das veranlasst einige Experten dazu, das Ende des Zufalls über die Menschheit hereinbrechen zu sehen. Die düsterste Vision: Algorithmen bestimmen die Lebenswelt des Konsumenten und entscheiden, was er erlebt und konsumiert und was nicht. Die Welt wird eine Suchmaschine, und Daten sind ihr Öl. Das Öl des 21. Jahrhunderts.

Der Unterschied ist: Die Daten sprudeln unendlich, ihre Quellen sind unerschöpflich, aber sie liegen an allen Ecken und Enden des Internets. Nur wer sie geschickt zu verknüpfen versteht, der kann Zusammenhänge erkennen und nutzen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen: Man ist der erste, der ein Produkt anbietet, das übermorgen gebraucht wird. Man produziert keine Überschüsse mehr, die schon morgen kein Mensch mehr haben will - und minimiert so finanzielle Einbußen. Für Geschäftsführungen sind aus der Datenanalyse gewonnene Erkenntnisse eine riesige Entscheidungshilfe. "Der breite Einsatz von Big Data ist eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft", sagt Dieter Kempf, Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom.

Digitale Wertschöpfung heißt das - und steht in Deutschland erst am Anfang. Rund zehn Prozent aller Unternehmen in Deutschland setzen bisher Big-Data-Lösungen ein, berichtet Bitkom. Doch ihr Anteil wird weiter steigen: Fast 31 Prozent haben konkrete Pläne, dies künftig zu tun. Die Umsatz-Vorhersagen für den Markt überbieten sich im Jahresrhythmus. Nach einer Bitkom-Erhebung, die zur Computermesse Cebit im März veröffentlicht wurde, wird sich der Umsatz für Big-Data-Lösungen von 6,2 Milliarden Euro in diesem Jahr bis 2016 mehr als verdoppelt haben.

Dafür, dass es nicht noch schneller geht, haben die Unternehmen eine ganz einfache Erklärung: Es gibt nur zu wenig Spezialisten.

(RP)
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