Der große Ärger um die Schleckers

Neue Spekulationen um mögliche Vermögensverschiebungen schon Jahre vor der Insolvenz des Konzerns verstärken den Unmut der früheren Belegschaft über die Familie. Die Ermittlungen werden noch Monate dauern.

ehingen Christel Hoffmann arbeitet seit 17 Jahren für Schlecker. Vor sechs Jahren wurde die Gesamtbetriebsratsvorsitzende für ihren Job freigestellt, und seither hat sie einiges an Tiefschlägen hinnehmen müssen. Aber jetzt ist sie wütend wie vermutlich selten zuvor: "Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, dann ist das eine Dreistigkeit, die durch nichts zu überbieten ist."

Der Adressat heißt Anton Schlecker. So lange keine Schuld bewiesen ist, haben er und seine Familie als unschuldig zu gelten. Das Prinzip des Rechtsstaats gilt natürlich auch in diesem Fall. Aber ungeachtet dessen sitzt der Frust tief über den Firmenpatriarchen, dessen Drogeriemarktkette im Januar Insolvenz anmelden musste, der aber schon in den Jahren zuvor Vermögenswerte beiseite geschafft haben soll, weil er das Unheil habe kommen sehen. An seine Tochter Meike, seinen Sohn Lars und an Ehefrau Christa. Die soll angeblich Gehaltszahlungen von 60 000 Euro monatlich bekommen haben, als man den Kollaps des Imperiums eigentlich schon habe kommen sehen müssen, so der Verdacht. "60 000 Euro – dafür muss eine Filialleiterin bei Schlecker drei Jahre arbeiten", sagt Christel Hoffmann, und in der Stimme der Betriebsratschefin klingen gleichermaßen Empörung und Verbitterung mit.

Mitte Juli hatte es eine Großrazzia gegeben, bei der Wohn- und Geschäftsräume durchsucht worden waren. Seither ermittelt die Staatsanwaltschaft in Stuttgart – dem Vernehmen nach gegen Anton Schlecker und 13 weitere Personen. Es seien offenbar "sehenden Auges" bei einer bevorstehenden Insolvenz Vermögenswerte beiseitegeschafft worden, verlautete damals aus dem Umfeld der ermittelnden Behörde. Monate wird es jetzt noch dauern, bis die Staatsanwaltschaft Stuttgart das Beweismaterial ausgewertet hat, das sie derzeit gemeinsam mit dem Landeskriminalamt prüft.

Schon jetzt haben viele unter den Zehntausenden im Schlecker-Konzern, die nach dem Zusammenbruch des Unternehmens ihren Job verloren, ihr Urteil gefällt: Anton Schlecker ist der Übeltäter. Eine kleine Auswahl von Aussagen aus der Ex-Belegschaft: "Schweinerei", "Wir müssen zum Arbeitsamt, und die da oben machen sich die Taschen voll", "Der Teufel soll ihn holen". Anton Schlecker wird zur Hassfigur.

Er und seine Familie sind indes nicht die einzigen, die derzeit für Aufregung bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sorgen. Im Arbeitnehmer-Lage gibt es sogar intern massiv Ärger. Per Einstweiliger Verfügung hat die Gewerkschaft beim Amtsgericht Osnabrück die Amtsenthebung des dortigen IhrPlatz-Betriebsrates beantragt. Das sind immerhin 31 Mitarbeiter, denen Verdi vorwirft, ihre Pflichten gegenüber der Belegschaft vernachlässigt zu haben. "Bei uns haben sich IhrPlatz-Mitarbeiter beschwert, dass sie nicht über die weitere Entwicklung im Insolvenzverfahren informiert wurden, und daraufhin haben wir den Betriebsrat angeschrieben", sagte Fachbereichsleiterin Annegret Preußer unserer Zeitung.

Das Schreiben sei am 1. August rausgegangen. Passiert ist offenbar nichts. Eine Mitarbeiterversammlung habe der örtliche Betriebsrat nicht gewollt, weil die aus seiner Sicht zu teuer gewesen wäre und die geplante Transfergesellschaft gefährdet hätte, hieß es gestern zur Begründung. Über den Antrag beim Arbeitsgericht Osnabrück könnte noch in dieser Woche entschieden werden.

(RP)
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