Frankfurt/M. Der lange Weg zur Zinswende in den USA

Frankfurt/M. · Selten war sich die Finanzwelt so uneins über das, was am Donnerstag in den Vereinigten Staaten passiert: Wird die Notenbank die Leitzinsen nun anheben, wie lange Zeit erwartet wurde, oder verschiebt sie den Schritt noch einmal?

Eigentlich galten steigende Zinsen in den USA lange Zeit als abgemacht, doch angesichts der vielen Krisen ist die Fed schon wieder zurückgerudert. Die viel beschworene Zinswende wackelt. Die Antwort auf die Frage, ob der Leitzins angehoben wird oder nicht, könnte man auch geben, indem man die Blätter von einem Gänseblümchen zupft. Unsicherere Prognosen als die aktuellen würden nicht herauskommen. Seit zwei Jahren spricht die Fed von einer Zinswende und hat sie ein ums andere Mal verschoben. Falls die Zinsen nicht steigen sollten, wird die Fed wenigstens einen Ausblick liefern, wie es mittelfristig weitergeht.

Warum ist der Leitzins so wichtig? Er bestimmt, zu welchen Konditionen sich Banken Geld von der Notenbank leihen können. Daraus ergibt sich dann auch der Zins, zu dem sich Banken Geld untereinander leihen und zu welchem Zinssatz sie Kredite an Verbraucher und Unternehmen vergeben. Auch die Zinsen von Staatsanleihen orientieren sich am Leitzins. Die Zinsen für Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit geben die Richtung für Immobilienkredite vor. Und natürlich werden Banken ihren Kunden nicht mehr Zinsen bieten, als sie selber der Notenbank zahlen müssen. Insofern ist der Leitzins eine eminent wichtige Größe. Über ihn steuern die Notenbanken die Inflation - und über die Menge des Geldes, das sich im Markt befindet. Die Notenbanken können der Wirtschaft Geld entziehen, es aber auch in die Märkte pumpen.

Zurück zu den USA: Wann auch immer - die US-Notenbank wird den Leitzins nur in homöopathischen Dosen anheben, von 0,0-0,25 Prozent auf höchstens 0,5 Prozent. Der erste Schritt, die lockere Geldpolitik zu beenden, war ein anderer: Im Oktober 2014 hat die Fed ihr Anleiheaufkaufprogramm auslaufen lassen.

Mit den über Jahre hinweg niedrigen Zinsen sollten die Finanzmärkte stabilisiert werden. Das hat in der Krise gut funktioniert. Inzwischen treten aber auch die Risiken und Nebenwirkungen dieser lockeren Geldpolitik zutage. Weil sich an den Zinsmärkten kein Geld mehr verdienen ließ, sind Anleger und Spekulanten in andere Anlagewelten ausgewichen, was zu übertrieben hohen Preisen an manchen Aktien- und Immobilienmärkten geführt hat. Außerdem spiegeln die Zinsen nicht mehr die Lage der Wirtschaft wieder, die sich seit der Finanzkrise deutlich verbessert hat.

Warum zögert die Fed dann? Die Antwort: Die Märkte haben sich an die niedrigen Zinsen gewöhnt. Sie waren lange Zeit eine Art Vollkaskoversicherung gegen mögliche Kursstürze. Die Fed befürchtet, dass steigende Zinsen nun zu Turbulenzen führen könnten. So hat allein die vorsichtige Ankündigung einer Zinswende in den USA dazu geführt, dass viele Anleger ihr Geld aus Schwellenländern wie Brasilien abgezogen haben. Die Währungen dieser Länder sind dadurch unter Druck geraten. Außerdem hat sich die wirtschaftliche Situation in China deutlich verschlechtert. Das könnte die Fed veranlassen, die Zinsen erst im Oktober oder am Jahresende anzuheben.

Was Deutschland angeht: Eine Zinswende in den USA würde den Urlaub im Dollarraum teurer machen - höhere Zinsen machen den Dollar gegenüber dem Euro attraktiv und lassen den Kurs der US-Währung steigen. Das könnte auch den Ölpreis anziehen lassen, da Öl an den internationalen Märkten in Dollar gehandelt wird. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) dem Kurs der Fed folgen wird. Der Euroraum ist wirtschaftlich etwa gleich groß wie die USA. Von daher kann sich die EZB eine autonome Geldpolitik erlauben. Die Maßnahmen der Notenbanken dürften eher weiter auseinanderdriften.

(RP)
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