Düsseldorf Der starke Euro lässt die EZB zögern

Düsseldorf · Ein eindeutiges Signal für ein mögliches Ende der ultralockeren Geldpolitik hat die Zentralbank gestern vermieden. Die Stärke der Gemeinschaftswährung schwächt die Exporteure und rückt das Inflationsziel in weitere Ferne.

Eigentlich schien die Dramaturgie klar. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sollte zwar weder die Zinswende noch den Ausstieg aus dem milliardenschweren Anleihenkaufprogramm der Notenbank ankündigen. Aber wenigstens ein Signal dafür, dass bei der nächsten Zentralbank-Sitzung am 26. Oktober der Anstoß für eine Veränderung der Geldpolitik erfolgt, sollte er doch bitte schön geben. Passiert ist das mitnichten. Im Gegenteil: Mindestens bis zum Jahresende sollen monatlich 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen fließen. Das seit März 2015 laufende Kaufprogramm mit einem Volumen von insgesamt 2,3 Billionen Euro könnte sogar verlängert werden - wenn bestimmte Faktoren sich nicht wunschgemäß entwickeln.

Zu denen, die das derzeit sicherlich nicht tun, gehört der Euro-Kurs. Der starke Aufwärtstrend der vergangenen Wochen ist das, was die Notenbanker der EZB um den italienischen Präsidenten zögern lässt. Mehr als 14 Prozent hat der Kurs der Gemeinschaftswährung seit Anfang des Jahres zugelegt. Gestern ist er zum wiederholten Mal über die Marke von 1,20 Dollar geklettert.

Das macht den Ausstieg der EZB aus der ultralockeren Geldpolitik extrem schwierig. Denn der starke Euro verteuert die Exporte aus der Euro-Zone und nimmt den ausführenden Unternehmen damit einen Teil ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Da könnte eine Zinserhöhung, nach der sich Banken und Anleger so sehr sehnen (damit Kreditvergabe profitabler und Sparen wieder attraktiver wird), Gift für die sich derzeit erholende Konjunktur sein. Zum anderen werden Importe billiger, und damit rückt auch der von der EZB angestrebte Inflationswert um die zwei Prozent wieder in weitere Ferne.

Tatsächlich hat die Zentralbank gestern ihre Inflationsprognose nach unten korrigiert. Für das kommende Jahr erwartet sie einen Anstieg der Verbraucherpreise um 1,2 Prozent (bisher 1,3 Prozent). 2019 soll die Rate dann bei 1,5 Prozent (bisher: 1,6 Prozent) liegen. Von der Zielmarke würde sich die Euro-Zone also weiter entfernen. Gleichzeitig bleibt die Wachstumsprognose bei 1,8 Prozent (2018) und 1,7 Prozent (2019). Nur für das laufende Jahr wurde sie von 2,1 auf 2,2 Prozent erhöht.

Also tut sich die EZB mit einem klaren Zukunftssignal schwer. "Die jüngsten Schwankungen beim Wechselkurs sind eine Quelle der Unsicherheit. Der Wechselkurs ist wichtig für das Wachstum und die Inflation. Ein sehr substanzielles Ausmaß an geldpolitischer Unterstützung ist weiterhin nötig" - drei Aussagen Draghis, die deutlich machen, wie sehr die Euro-Banker darum bemüht sind, sich ein Hintertürchen offenzuhalten.

Das Anleihen-Kaufprogramm läuft eigentlich am Jahresende aus. EZB-Ratssitzungen gibt es in diesem Jahr noch zwei - die im Oktober und dann noch eine am 14. Dezember. Wahrscheinlich werde der Großteil der Entscheidungen im Oktober getroffen, kündigte Draghi gestern an. Aber dieser eine Satz -die EZB könne diese Entscheidungen auch noch verschieben, sollte sie noch nicht so weit sein - hat den Zeitplan in Frage gestellt. Eigentlich müsste der Einstieg in den Ausstieg dann auch verkündet werden, weil der ja nur scheibchenweise vollzogen werden kann und man bei einer Entscheidung zum Jahresende sicher noch nicht Anfang 2018 damit beginnen könnte, das Anleihenkaufprogramm zurückzufahren. Eine Erhöhung des Leitzinses, den der Rat gestern bei null beließ, ist ohnehin erst für 2019 in Sicht. Bis dahin müssen die Sparer, die nach Rendite für ihre Geldanlagen lechzen, noch Geduld aufbringen. Aber Sparen heißt ja auch nicht nur dann sparen, wenn man dabei Geld verdient.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort